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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abteilen zu finden. Man erlebt wirklich die tollsten Dinge, dachte er. Es sollte mich nicht wundern, wenn diese Dame in den nächsten Tagen in den Zeitungen wieder auftaucht. Als Diebin, als Gesuchte, als Verschwundene.
    Er wandte sich ab und verließ schnell den Bahnsteig. Es ist immer besser, mit alledem nichts zu tun zu haben. Und wenn die Polizei ihn fragen sollte – er hatte nie eine Dame zum Bahnhof gefahren. Ein Betrunkener, eine hochgestellte Persönlichkeit, deren Namen er aus Diskretion nicht nennen durfte, hatte ihn zu dem Amoklauf mit dem Auto getrieben.
    Carola fand einen Platz an der Tür eines Zugabteils. Sie stemmte ihre Koffer ins Gepäcknetz, setzte sich in ihre Ecke und fühlte eine bleierne Müdigkeit in sich aufsteigen. Ihr Magen krampfte sich zusammen. Ich habe ja nichts gegessen, dachte sie. Den ganzen Tag nicht, und gestern auch nicht. Aber der Gedanke an Essen verstärkte nur noch die Übelkeit. Sie lehnte sich zurück, faltete die Hände im Schoß und schloß die Augen. So schlief sie vor Erschöpfung ein … ein paarmal wachte sie sekundenlang auf, wenn der Zug auf einer Station hielt und dann wieder anruckte, wenn Reisende über ihre ausgestreckten Beine stiegen oder Koffer gegen die Wand krachten.
    Am frühen Morgen stand sie in Marseille vor dem Bahnhof, neben sich die Koffer, und überlegte, wo sie die Zeit bis 10 Uhr verbringen sollte. Dr. Lombard war erst um 10 Uhr zu sprechen. Er hielt sich genau an diese Zeit, und wenn sich eine königliche Hoheit zur Konsultation angemeldet hätte, bekäme auch sie die Nachricht: Ab 10 Uhr, Prinzessin –
    Sie winkte, ein Chauffeur nahm die Koffer und trug sie zu einem Wagen. Wohin bloß, dachte sie, als sie in den Polstern saß. Ich brauche kein Hotel, und auch essen kann ich nichts. Die Bahnhofsuhr zeigte zehn Minuten nach sechs. Um diese Zeit schlief noch alles in der Klinik Dr. Lombards. Nur der Nachtwächter saß im Telefonzimmer. Eine Nachtschwester oder einen wachhabenden Arzt gab es nicht … in einer Schönheitsklinik lagen keine kritischen Patienten, für die die Nacht zu einer Gefahr wurde.
    »Villa Lombard. Rue de Frontière«, sagte sie, als der Chauffeur sich mehrmals fragend zu ihr umdrehte. »Aber fahren Sie langsam – wir haben Zeit.«
    »Sehr wohl, Madame.«
    Obgleich sie durch Marseille bummelten, war es kaum Viertel vor sieben, als sie vor dem großen Tor der Klinikvilla hielten. Carola bezahlte, stieg aus, nahm ihre Koffer und schritt den Gartenweg hinauf zum Eingang. Sie mußte dreimal läuten, bis der Nachtwächter verschlafen und sich die Augen reibend an die Tür kam. Er hatte fest geschlafen. In eine kosmetische Klinik bricht man nicht ein, dachte er jede Nacht, wenn er sich hinlegte und beruhigte damit sein Gewissen als Nachtwächter. Wer klaut schon ein Skalpell oder Spritzen? Geld war nicht im Haus, und auch der Schmuck der Patientinnen lag im Keller in einem eingemauerten Stahltresor. Es war also sinnlos, bei Dr. Lombard einzubrechen.
    Der Nachtwächter sah zunächst auf die Uhr, ehe er Carola ansprach. Er tat es mit theatralischer Deutlichkeit, die zeigen sollte: Was soll das? Um diese Zeit klingelt man nicht.
    »Ja?« fragte er dann laut. Es klang wie ›raus!‹. Carola steckte die Hände in ihre Manteltasche. Es war kalt. Vom Meer her wehte ein scharfer Wind.
    »Ich möchte zunächst einmal ins Haus«, sagte sie.
    »Anmeldungen ab 9 Uhr, Madame.«
    »Ich weiß. Ich habe lange genug hier gelegen. Wecken Sie bitte Schwester Anne. Sie kennt mich.«
    »Unmöglich.« Der Nachtwächter sah wieder ostentativ auf seine Uhr. »Es ist jetzt –«
    »Die Uhrzeit interessiert mich nicht.« Sie öffnete die Handtasche und reichte dem Nachtwächter einen Geldschein. Der alte Mann sah auf die Banknote und starrte dann Carola entsetzt an.
    »Was soll das?«
    »Für Sie. Rufen Sie Schwester Anne.«
    Die Banknote in der Hand des Wächters zitterte. 1.000 Francs, dachte er. Eine Verrückte. Es wird wirklich besser sein, jemand zu rufen. Man weiß nie, wie solch ein Verrückter sich benimmt, wenn man nicht seinen Willen tut.
    »Einen Augenblick.« Der alte Mann schloß wieder die Tür. Carola lehnte sich gegen die Ummauerung und stellte den Mantelkragen hoch. Sie zuckte zusammen, als plötzlich die Glocke einer nahen Kirche anschlug. Sieben Uhr.
    Hinter der Tür hörte sie schnelle Schritte. Der Schlüssel drehte sich knarrend. Carola trat einen Schritt zurück. Vorsichtig öffnete jemand die Tür, das hübsche Gesicht Schwester

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