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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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Plastikbeine, aber einen weichen Körper aus Stoff. Als sie neu gewesen war, hatte sie ganz echt aussehendes blondes Haar gehabt, eine richtige Löwenmähne. Aber während eines besonders heißen Sommers hatte Hester ihr die Haare geschnitten, damit sie nicht so schwitzen musste. Jetzt war Annabelles Haar nur noch ein schmuddeliger Mopp,dessen einzeln eingesetzte Strähnen wie Pflanzreihen in einem Garten aussahen. Das Wickeltuch mit Kapuze, in dem sie Annabelle bekommen hatte, hatte Hester längst verloren und es durch ein bereits vergrautes und verschlissenes Unterhemdchen von Sam ersetzt.
    Als Hester vorbeikam, war Linnie gerade damit beschäftigt, neben einem Grab ein Fort aus kleinen Ästchen zu bauen. Hester bemerkte sie zunächst gar nicht, aber Linnie rief hinab: »Diese Puppe sieht aber erbärmlich aus!«
    Hester sah auf und drückte ihre Puppe fest an ihre Brust. Sie entdeckte ein kleines Mädchen in einem tiefvioletten Kleid mit weißer Schärpe.
    »Sei bloß still, du!«, fauchte Hester und runzelte wütend die Stirn.
    »Oh«, sagte Linnie. »Ich hatte nicht gedacht, dass du das hörst.«
    »Ich habe doch Ohren, oder?«
    »Ja, natürlich hast du Ohren. Aber sonst kümmert sich nie jemand um das, was ich sage.« Linnie grinste. Ihre Vorderzähne fehlten noch. »Willst du mein Fort sehen?«, rief sie.
    »Klar«, antwortete Hester. Sie schleuderte ihre Schulbrottasche und Annabelle auf die Mauer, die den Hügel begrenzte, und kletterte selbst hinterher. Augenblicklich, noch bevor Hester selbst auf der Mauerkrone stand, raffte Linnie die Puppe an sich.
    »Hey! Gib sie zurück!«, rief Hester, während sie sich an der Rückseite ihrer Hose die Hände abwischte.
    »Ich will sie mir doch nur mal ansehen«, entgegnete Linnie. Sie drückte Annabelle an sich, wie um sie auszuprobieren. Dann schloss sie die Augen und wiegte ihren Körper sanft hin und her, um das Gefühl voll auszukosten.
    Als Linnie die Augen wieder öffnete, starrte Hester sie wütend an. Linnie sah kurz auf Annabelle hinab, dann streckte sie die Puppe von sich. »Hier«, sagte sie.
    »Danke«, sagte Hester. »Sie heißt Annabelle.«
    »Sie ist aber gar nicht schön angezogen.«
    »Wie bitte?«
    »Meine Püppi hat ein lila Kleid mit echter Spitze und einen Unterrock. Und sie hat wunderschöne Locken und schwarze Seidenbänder im Haar.«
    »Ist mir egal. Annabelle mag es gern bequem und außerdem hat sie mich lieb.«
    Linnie sah verletzt aus.
    »Wo ist deine Puppe denn überhaupt?«, wollte Hester wissen.
    Jetzt stiegen Tränen in Linnies Augen auf. »Ich habe sie verloren. Ich hatte sie mit hierhingenommen und ich habe schon überall nach ihr gesucht.«
    »Oh, das tut mir leid ...« Hester sah, dass die Tränen überquollen und Linnies Pausbacken hinabzurinnen begannen. »Ich kann dir suchen helfen ...«
    Linnie schüttelte den Kopf, als sei es aussichtslos.
    »Ist das dein Fort?«, fragte Hester, um sie abzulenken.
    Linnie zog die Nase hoch und nickte. »Willst du mir helfen, es weiterzubauen?«
    »Ich kann aber nicht lange bleiben. Ich heiße übrigens Hester.«
    »Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen«, antwortete Linnie wie eine Erwachsene. »Ich heiße Linnie.«
    »Super – ich habe noch nie jemand kennengelernt, der Linnie heißt.«
    Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf, und ihre blondenLocken schlugen sanft gegen ihre Wangen. »Das ist der Diminutiv meines Taufnamens, den ich verabscheue.«
    Hester nahm an, dass »Diminutiv« wohl so etwas wie »Kurzform« hieß. Dass »verabscheuen« so viel wie »hassen« bedeutete, wusste sie schon. Sie sah Linnie aufmerksam von der Seite an, während sie losgingen und zusammen Ästchen und kleine Zweige suchten.
    Hester kniete sich hin, um die stärkeren Stöckchen in den Boden zu bohren und auf diese Weise die Außenwände des Forts zu bauen, während Linnie die dünneren, biegsameren Zweige miteinander zu einem flachen Dach verwob.
    »Wow, das kannst du aber gut«, meinte Hester.
    »Ich baue oft Forts.«
    »Ich knicke die Spitzen der Stöckchen ab, damit die Wände für dein Dach schön gleichmäßig sind.« Hester begann bei der Arbeit zu pfeifen, während sie arbeitete.
    Nach einer Weile sagte Linnie: »Ich kann nicht pfeifen, weil meine Vorderzähne so spät kommen.« Sie legte das Dach auf die Wände des Forts. »Aber ich habe eine Narbe. Willst du sie mal sehen?«
    »Klar«, sagte Hester und überlegte, ob sie auch irgendwo eine Narbe hatte, mit der sie angeben könnte.
    Linnie

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