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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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konnte. Grob stieß er in sie hinein.
    »Nein! Nicht!«, schrie Syrenka.
    »Schweig!«, wiederholte er, wieder und wieder, bei jedem Stoß, bis seine Stimme versagte und ein Beben seinen Körper durchlief.
    Als er ihre Schreie realisierte, war es zu spät. Keuchend ließ er von ihr ab, kauerte sich auf die Knie, die Augen weit aufgerissen.Mit zittrigen Händen knöpfte er rasch seinen Hosenlatz zu. Als könnte er das, was er getan hatte, durch das Richten seiner Kleidung ungeschehen machen.
    »Töte mich!«, sagte Syrenka. Ihre Stimme klang matt und trocken. Sie lag reglos da, die Arme auf dem Rücken.
    Voller Scham bemerkte Olaf, dass sie die ganze Zeit gefesselt gewesen war. Auch das wollte er ungeschehen machen.
    In aller Eile schnitt er das Netz an ihrem Schwanz auf.
    »Töte mich«, forderte Syrenka erneut.
    Er beschloss, sie ins Wasser zurückzustoßen, und durchtrennte die Fesseln an ihren Armen. Er würde ihr Versprechen, sich vom Ufer fernzuhalten, annehmen. Auf immer sollte sie in den Tiefen verschwinden. Und er konnte einfach vergessen, was er getan hatte. Auch wenn er es in seinem Herzen bereuen würde bis ans Ende seiner Tage. Eleanor würde nie davon erfahren. Und Gott würde ihm vergeben.
    Sobald das Tau aufschnellte, richtete Syrenka sich auf und legte ihren linken Arm um seinen Hals.
    »Du hättest mich töten sollen«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    Sie hob sein Kinn an, dann schnitt sie ihm mit der Flosse ihres rechten Handgelenks die Kehle durch.
    Sie legte ihn auf die Bootsplanken. Eine dunkle Pfütze aus Blut bildete sich unter ihm.
    Syrenka musste ihre Entscheidung jetzt treffen, während das Herz in seiner Brust noch schlug und das Leben langsam aus ihm herausfloss. Sie sah auf das dunkle Meer hinaus und hoffte, dass Ezra noch lebte.
    Sie musste diese Gelegenheit nutzen. Eine andere würde sie vielleicht nie mehr erhalten.
    Und um ihre Gestalt in die eines Menschen verwandeln zu können, riss sie dem Fischer die Brust auf, brach ihm die Rippen und verspeiste seine warme, feuchte Lunge.

Zum ersten Mal seit zehn Jahren war Hester wieder in der Kirche, aber es gelang ihr nicht, sich auf den Gottesdienst zu konzentrieren. Der Geruch von Holz und Kerzenwachs im Kirchenschiff, die gedämpfte Stille und das leuchtende Rot des Teppichläufers weckten ihre Erinnerungen an die grässlichen Silberfischchen. Oft hatte sie sich gefragt, ob Linnie wohl gewusst hatte, dass das Buch so verseucht gewesen war. Aber mittlerweile, nachdem sie älter und reifer geworden war, kam Hester das nicht allzu wahrscheinlich vor. Warum hätte Linnie ihre Freundin denn so verschrecken wollen? Andererseits hatte Linnie nicht die Verantwortung übernehmen wollen, wenn Hester erwischt wurde. Und tatsächlich hatte sie sich lieber aus dem Staub gemacht, als ihrer Freundin zu Hilfe zu kommen.
    Hesters Gedanken wanderten zu den Grabkammern. So dunkel und feucht, wie sie waren, waren sie das perfekte Biotop für Silberfischchen. Aber das hatte Linnie nicht unbedingt wissen können. Und dann dachte Hester daran, dass sie den Friedhofjahrelang nicht mehr besucht hatte. Fast eine geschlagene Stunde lang versuchte sie sich ihre unklaren und verblassten Erinnerungen an ihre Zeit mit Linnie wieder ins Gedächtnis zu rufen.
    In den drei Monaten ihrer Freundschaft hatten Hester und Linnie ausschließlich auf dem Burial Hill, dem am Hang gelegenen Friedhof an der Alten Kirche, miteinander gespielt. Hester hatte den alten Friedhof geliebt. Er lag auf ihrem Schulweg, er bot jede Menge Verstecke, und sie genoss die Vorstellung, dass in den dortigen Gräbern die ältesten und bestgehütetsten Geheimnisse der Stadt verborgen lagen. Auf der einen Seite des Hügels, die über den Hafen von Plymouth blickte, wuchsen viele ausladende Bäume, die Schatten spendeten. Dort befanden sich Reihen um Reihen bröckelnder und bemooster Grabsteine und einige Bänke zum Ausruhen. Seit mehr als einem halben Jahrhundert war hier niemand mehr beigesetzt worden, daher hatten Linnie und Hester den Friedhof zumeist für sich allein gehabt und die Freiheit genossen, auf den Bäumen herumzuklettern, um die Gräber herum Fangen zu spielen und den Fischerbooten und Ausflugsschiffen zuzusehen, wie sie über ihre eigenen Heckwellen kreuzten.
    Es war Frühjahr, als Hester Linnie zum ersten Mal begegnete. Hester ging in die erste Klasse. Sie hatte ihre Tasche mit ihrem Schulbrot dabei und ihre Lieblingspuppe Annabelle. Annabelle hatte einen Kopf aus Plastik und

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