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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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Er ließ los. Dann sackte er in sich zusammen und setzte sich in den Sand. Der Wind hatte sich so schnell wieder gelegt, wie er aufgefrischt war. Ezra rieb sich das Gesicht.
    »Bitte verzeih mir, Hester. Michael McKees Weg und meiner haben sich auf höchst schmerzliche und nachhaltige Art und Weise gekreuzt. Und sooft ich gezwungen bin, mir meine Verbindung zu ihm in den Sinn zu rufen, beginnt mein Blut zu kochen.«
    Hester setzte sich neben Ezra und seufzte. »Allmählich bekomme ich große Lust, mal wieder hemmungslos zu fluchen – wenn ich mir noch länger all diese Rätsel anhören muss.«
    Er strich ihr behutsam eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. »Du wirst diese Rätsel nur allzu bald lösen«, sagte er so leise, dass sie es fast nicht hörte. »Und ich fürchte mich davor, was dann aus mir wird.«
    Hester beugte sich ihm entgegen und küsste ihn. Dann drückte sie ihn sanft in den Sand hinab. Jeden Zentimeter seines Gesichts bedeckte sie mit zarten Küssen, ertastete die Konturen seiner Wangen, der Nase, der Stirn und seines Kinns mit ihren Lippen. Und sooft sie sich seinem Mund näherte, lächelte er und küsste sie flüchtig zurück.
    Sein Hemdkragen stand offen. Hester schob ihre Hand darunter. Ezras Oberkörper war sehr schlank, sodass man seine Rippen erahnen konnte. Hester zeichnete mit dem Finger seine Schlüsselbeine nach und ließ dann ihre Hand zu seiner Brust hinabwandern. In der Nähe seiner linken Brustwarze ertastete sie einen Hautwulst – eine Narbe wie von einer Wundnaht. Sie tastete weiter und stieß auf eine weitere, lang gezogene Naht unterhalb seines Brustbeins – eine vertikale Linie aus Narbengewebe, die beinahe bis zum Nabel reichte. Diese Narbe zu berühren, ging Hester durch Mark und Bein. Immer wieder fuhr sie mit dem Finger daran hinauf und hinab und war plötzlich von einem Gefühl völliger Hoffnungslosigkeit überwältigt, alshätte sie alles verloren, war ihr je etwas bedeutet hatte. Wie unter Schmerzen sog sie die Luft ein und zwang sich, ihre Hand wegzuziehen. Sie sah ihm in die Augen, aber er schüttelte den Kopf. Seine Lippen bildeten eine schmale Linie. Hester küsste ihn, und im selben Moment fühlte sie, wie er seine Lippen öffnete und sein Körper sich entspannte. Er schlang seine Arme um sie und zog sie auf sich.
    Hester wollte ihn nicht drängen. Sie wollte ihm seine Geheimnisse lassen. Vorerst jedenfalls. In dieser Nacht wollte sie einfach so tun, als sei er nicht durch und durch rätselhaft. Nach Jahren der Entbehrung wollte sie eine einzige Nacht voller Glück genießen.

Der Weg den Burial Hill hinab war nicht gerade kurz – schon gar nicht für einen Mann, der mit einem Messer im Herzen seine tote Frau auf den Schultern durch die Dunkelheit trug.
    Ezra bekam keine Luft. Er konnte nicht tief genug einatmen, um sein Bedürfnis nach Sauerstoff zu stillen. Er fühlte sich so schwindelig und benebelt, dass seine Knie bei jedem Schritt einzuknicken drohten. Es kostete ihn eine monumentale Anstrengung, seine Beine zu heben. Die Steine im Straßenstaub bohrten sich in seine Fußsohlen. Der Druck im Inneren seiner Brust wurde unerträglich. Eine alarmierende Trübung seines Blicks drohte ihm die Sicht zu nehmen, bevor er das Meer erreichte.
    »Bitte«, sagte er kaum hörbar zu sich selbst, zu Gott, zu den Bewohnern des Meeres. Dies würde seine letzte Tat auf Erden sein. Sie musste gelingen!
    Sobald er den Strand erreicht hatte und einige Schritte ins Wasser hineingewatet war, erlaubte er sich, schwach zu werden und sank auf die Knie. Er verspürte einen herzzerreißenden Schmerz, als er Sarah vorsichtig und voller Liebe dem Meer übergab.
    Die Beine im Wasser, trieb sie leblos auf dem Rücken. Ezra zog sie an sich heran und bettete ihren Kopf auf seine Schenkel, damit ihr Gesicht nicht von der Dünung überspült wurde. Er wischte ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht und strich sie hinter ihre Ohren. Er beugte sich hinab, um sie zu küssen, und spürte dabei, wie das Messer tiefer rutschte. Dann erwartete er den Tod, in der Hoffnung, dass Sarahs Gefährtinnen sie beide finden würden und er Sarah vor seinem letzten Atemzug gerettet wüsste.
    Er war wohl einen Moment ohnmächtig gewesen, denn er hatte ihre Ankunft nicht bemerkt. Als er die Augen aufschlug, stellte er fest, dass er sich nicht mehr bewegen konnte. Seine Arme hingen an seinen Seiten herab. Sein Atem ging flach. Sie waren zu zweit, phosphoreszierten im Licht des vollen Mondes. Ein schmerzhaft

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