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syrenka

syrenka

Titel: syrenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Fama
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Wasser verschaffte ihr Luft. Und es machte den Druck, der sie umgab, erträglich.
    Eigentlich unmöglich.
    Auch der bohrende Schmerz in ihren Ohren hatte nachgelassen. Hester wagte die Augen zu öffnen und sah – trotz der Tiefe! – eine verschwommene, dunkle, allein durch Grüntöne bestimmte fremde Welt. Ein riesiger Fisch schwamm vorbei, die Netzhaut seines Auges schimmerte leicht metallisch. Hester atmete erneut, nun durch die Nase. Es war ein Wunder – und gleichzeitig ein Gefühl, an das sie sich vage aus ihrer frühen Kindheit erinnerte. Ihr Körper straffte sich vor Erwartung. Wenn sie jetzt starb, dann wohl nicht durch Ertrinken!
    Mit jedem Moment nahm Hesters Verwunderung zu. Sie konnte nicht nur sehen und atmen, sie merkte, dass sie unter Wasser auch hören konnte. Die Bucht war voller Geräusche, die ihre tauben Ohren vorher, wenn sie zum Schwimmen am Strand gewesen war, niemals wahrgenommen hatten: das dumpfe Rumpeln entfernter Schiffe, der helle Ruf der Delfine, der melancholische Gesang eines Buckelwals und das Aneinanderreiben der Steine und Kiesel auf dem Meeresgrund. Und dann eine Stimme – die Stimme der Sirene, die Hester in ihren Klauen hielt. Ihre Worte waren unverständlich und immer wieder von klickenden Konsonanten durchsetzt.
    »S!glaemie tor!ga meelay, Syrenka.«
    Hester schüttelte ärgerlich den Kopf – wodurch sie sich mit dem Arm der Sirene um ihren Hals fast erwürgt hätte. »Nng«, war der einzige Protestlaut, den sie herausbrachte, während sie erneut ihre Finger in den fremden Arm bohrte, der sich nun endlich lockerte. Die Sirene hielt an, ließ Hester frei und wandte sich zu ihr um. Sie fasste sie an den Oberarmen, um ihr Halt zu geben. Eigentlich hatte Hester erwartet, dass sie nun nach oben treiben würde. Aber sie bewegte sich nicht von der Stelle, weder nach oben noch nach unten.
    Warum war sie noch nicht erfroren? Auch wenn das Wasser an schönen Tagen an der Oberfläche eine Temperatur von bis zu zwanzig Grad Celsius haben konnte – in diesen Tiefen musste es doch kurz vor dem Gefrierpunkt liegen.
    Die Sirene sah sie unverwandt an. Hester war von ihren Augen wie gebannt. Sie waren sehr groß, rund und beinahe durchsichtig, mit horizontalen Pupillen-Schlitzen. Dieses Wesen war wunderschön und gleichzeitig ... furchteinflößend. Unvermittelt verspürte Hester den Drang, wie ein Oktopus bei Gefahr Arme und Beine einzuziehen.
    »Sno eaer!gla Syrenka?« Jetzt deutete die Sirene auf sich selbst. »!Gla Needa.«
    Hester entspannte sich wieder ein wenig und schüttelte den Kopf, um zu zeigen, dass sie nichts verstand. Jetzt reckte die Sirene neugierig den Arm und berührte Hesters Haar, das, noch immer von Peters Muschelspange zusammengehalten, hinter ihrem Kopf schwebte. Das weiße, üppige Haar der Sirene wogte wie ein Heiligenschein um ihren Kopf. Ihre Haut war sehr hell, und Hester konnte nicht übersehen, wie schön ihr nackter Körper war, wie wohlgeformt ihre Brüste und wie selbstverständlich es für sie war, unbekleidet zu sein. Hester kam sich in ihrer kurzen Hose, ihrem Shirt und ihrer Unterwäsche äußerst plump vor.
    Syrenka hatte die Sirene gesagt. Wo hatte Hester diesen Begriff nur schon einmal gehört?
    Die Sirene kam näher. Um Hesters Gesicht genau betrachten zu können, drehte sie ihren Kopf in verschiedene Richtungen – als ob Hester ihr zwar bekannt vorkäme, sie sich andererseits aber doch nicht ganz sicher war. Sie fasste ihr Kinn und hob es an. Sie war sanft und eifrig, und je mehr sich Hester an ihre Aufmerksamkeit gewöhnte, umso entspannter wurde sie. Wenn die Sirene nicht schwamm, waren ihre Bewegungen bedacht und langsam und sie begannen einen hypnotisierenden Effekt auf Hester auszuüben.
    »Syrenka«, sagte die Sirene noch einmal, mit einer merkwürdigen Mischung aus Gewissheit und Erstaunen.
    Dann wurde es Hester plötzlich klar: Syrenka war ein Name! Ezra hatte sie Syrenka genannt!
    Hester öffnete den Mund und versuchte zu sprechen. »Ich bin nicht Syrenka«, protestierte sie, laut und langsam, als hätte sie den Mund voll Karamell. Sie zeigte mit dem Finger auf sich. »Hester«, sagte sie. Aber das H wurde vom Wasser verschluckt.
    »Needa«, antwortete die Sirene und deutete auf ihre eigene Brust. Und dann sprach sie mit einem Mal in Hesters Sprache und mit leuchtenden Augen. »Ich denke ... du bist Syrenka.«
    »Nein. Aber du bist nicht die Erste, die sagt, dass ich ihr ähnlich sehe ...« Hester sah zum Meeresspiegel und deutete

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