syrenka
geschnitzten Sessel aus dunklem Holz, dessen Armlehnen Löwenköpfe zierten und Löwenfüße die edel geschwungenen Beine.
Der Sitz war mit einem zerschlissenen Stoff gepolstert, der irgendwann mal feinster Samt gewesen sein musste. Die eigentliche Farbe konnte Hester durch das Grün, als das sie alles ringsum wahrnahm, nicht erkennen. Es war wohl das thronähnlichste Möbelstück, das jemals ins Meer gefallen war.
Noo´kas besaß stattliche Ausmaße. Sie war größer und breiter gebaut als die zahlreichen weiblichen Individuen, die sie zu ihrer Versorgung umschwammen. Am ganzen Körper hatte sie Fettrollen, dazu riesige, unförmige Hängebrüste, die bis über ihre Hüften hinabreichten. Gleichzeitig aber waren ihr Schädel und ihr Gesicht seltsam knochig. Ihre Nase hatte sich bis auf zwei kümmerliche Öffnungen an der Stelle, wo menschliche Lebewesen Nasenlöcher besitzen, zurückgebildet. Und anstelle von Ohren wies ihr Kopf an jeder Seite nur noch drei Löcher auf, zwei kleine und ein größeres. Ihre Augen lagen sehr tief in ihrem Schädel, sodass sie aus jedem Winkel dunkel und finster wirkten. Der Kopf war so gut wie kahl, mit schuppenden, schorfigen Stellen und vereinzelten schütteren Haarsträhnen, die leblos über die gesamte Länge ihres Körpers herabfielen. Sie war behängt mit angelaufenem Silberschmuck – mehrfach um den Hals gewundene Ketten, tief herabbaumelnde Anhänger, Armreifen, Ringe an jedem Finger und vier oder fünf indianische Concha-Gürtel mit Silberbeschlägen, Türkisen und Onyxsteinen, die aneinandergeknüpft gerade lang genug für ihre umfangreiche Taille waren. Irgendetwas an Noo´kas kam Hester entfernt bekannt vor. Sie hatte schon mal ein Bild von ihr gesehen, konnte sich allerdings nicht besinnen, wo. Sie schloss kurz die Augen und versuchte in den Nebeln ihres Geistes ihre Erinnerung zu fassen zu kriegen. Doch es gelang ihr nicht.
Needa setzte Hester so vor dem Thron ab, dass ihre Füße gerade Bodenkontakt hatten. Mit ihren Lippen strich sie an Hesters Ohr entlang. »Verbeug dich!«, flüsterte sie leise. Sie selbst legte sich voller Demut bäuchlings auf die Felsplatte und reckte ihre Arme Noo´kas entgegen. Dann erhob sie sich wieder und schwamm rückwärts in den Kreis der schönen Dienerinnen.
Während Needa sich zurückzog, streckte Hester zaghaft die Hand nach ihr aus. Sie sollte sie nicht allein lassen! Aber Needa runzelte die Stirn und legte kurz den Kopf ein wenig schief, um sie an ihre Manieren zu erinnern. Daraufhin wandte Hester sich wieder Noo´kas zu, verbeugte sich und nutzte diese Gelegenheit, die Vorderseite ihres T-Shirts herabzuziehen und in ihre Hose zu stopfen, damit es in der Strömung nicht in die Höhe wogte.
»Du hättest deinen Respekt ein wenig früher zeigen können.« Noo´kas´ Stimme dröhnte mit solch tiefen Bässen, dass Hester die Vibrationen wie platzende Blasen im ganzen Körper spürte.
»Meinst du mich?«, antwortete Hester und sah sich um, ob noch jemand anwesend war.
»Natürlich meine ich dich, elende Kreatur!«
Hester stellte sich aufrecht hin und sah wütend in die dunklen Höhlen, in denen die Augen der Hexe lagen. »Ich kenne dich überhaupt nicht!«
»Für wen hältst du dich selbst denn?«
»Ich bin ... ich bin ...« Hester sah Hilfe suchend zu Needa, aber die wandte den Kopf ab. Needa hatte sie Syrenka genannt. War das wirklich ihr Name? Hesters Geist war so benebelt. »Ich weiß es nicht.«
»Was glaubst du, wie alt du bist?«
»Ich denke ... siebzehn?« Hester sah auf den Meeresboden und durchforstete ihr Hirn nach irgendetwas, woran sie sich erinnern konnte. Wann habe ich noch mal Geburtstag?
»Falsch. Du bist uralt. Sag ...« Sie deutete auf Hesters Bauch. »Hat dieser menschliche Leib Nachkommen geboren?«
Hester war völlig durcheinander und konnte sich auf nichts besinnen. Aber sie wusste, dass ihr dieser Ton nicht gefiel. »Was ist das für eine Frage? Warum sollte ich darauf antworten? Nein! Ich werde ... ich will niemals Kinder haben!« Was war das? Jetzt hatte sie die Frage doch beantwortet! Sie hatte ihre intimsten Gedanken verraten. Wo war nur ihr Wille geblieben?
»Syrenka hat sich danach gesehnt, Ezra ein Kind zu schenken. Und sieh nur, wie du ihren Körper veruntreust!«
»Das ist mein Körper! Und ich bin nicht Syrenka!« Hester fühlte einen Stich in ihrer Brust. Der Name Ezra bedeutete ihr etwas. Sie konnte sich aber an nichts Genaues erinnern.
Die Meereshexe hob einen Finger. Ihre Dienerinnen
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