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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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gingen wieder. Bigend blickte der jungen Frau nach, die sich in den Hüften wiegte. »Ich liebe englisches Frühstück«, sagte er. »Die Innereien. Die Blutwurst. Die Bohnen. Den Speck. Waren Sie schon einmal hier, bevor sie richtiges Essen erfunden haben?«, fragte er. »Bestimmt, oder?«
    »Ja«, gestand sie ein. »Da war ich noch sehr jung.«
    »Selbst damals«, sagte er, »war das englische Frühstück eine begnadete Mahlzeit.« Er schnitt eine Wurst auf, die wie Haggis aussah, aber im Magen eines kleinen Tiers gekocht worden war, ein Tier von der Größe eines Koalas. »Es gibt da eine Sache, bei der Sie uns helfen können«, fuhr er fort und steckte sich eine Scheibe Wurst in den Mund.
    »Uns.«
    Er kaute, nickte, schluckte. »Wir sind nicht nur eine Werbeagentur. Das wissen Sie bestimmt. Wir führen Markenübertragungen durch, prognostizieren Trends, managen Lieferanten, analysieren den Jugendmarkt, erarbeiten ganz allgemein Strategien.«
    »Warum ist dieser Werbespot eigentlich nie gesendet worden — der, für den Sie uns so viel Geld bezahlt haben, damit Sie ›Hard to Be One‹ verwenden durften?«
    Er stippte einen abgerissenen Toaststreifen in das verlaufene gelbe Auge eines Spiegeleis, biss die Hälfte davon ab, kaute, schluckte und wischte sich die Lippen mit seiner Serviette ab. »Spielt das eine Rolle?«
    »Das war ein Haufen Geld.«
    »Das war China«, sagte er. »Das Fahrzeug, für das der Spot gedacht war, ist nicht in Serie gegangen. Und wird es auch nie.« »Warum nicht?«
    »Es gab Probleme mit dem Design. Grundlegende Probleme. Die Regierung hat beschlossen, dass das nicht das Fahrzeug war, mit dem China auf den Weltmarkt gehen sollte. Vor allem nicht angesichts der diversen Skandale wegen verdorbener Lebensmittel. Und was weiß ich noch alles.«
    »Was es so schlimm?«
    »Aber hallo.« Er schaufelte mit der Gabel gebackene Bohnen auf einen Toast. »Letzten Endes haben sie Ihren Song nicht gebraucht«, sagte er, »und soweit wir wissen, sind die Manager, die für das Projekt verantwortlich waren, auch noch am Leben. Ein optimales Ergebnis für alle Beteiligten.« Er machte sich über den Speck her. Sie aß ihre Haferflocken mit Früchten und beobachtete ihn dabei. Er aß schnell und versorgte systematisch den außergewöhnlichen Stoffwechsel, der ihm die zusätzlichen Pferdestärken lieferte. Sie hatte noch nie erlebt, dass er müde gewesen wäre oder unter Jetlag gelitten hätte. Anscheinend lebte er in seiner eigenen Zeitzone.
    Er war vor ihr fertig und wischte den weißen Teller mit einem letzten goldenen Dreieck Cabinet-Toast sauber.
    »Die Übertragung von Markenvisionen«, sagte er.
    »Ja?« Sie zog eine Augenbraue hoch.
    »Geschichten. Konsumenten kaufen nicht so sehr Produkte, sondern Geschichten.«
    »Das ist ein alter Hut«, sagte sie. »Muss es sein, wenn ich schon davon gehört habe.« Sie trank einen Schluck kaltgewordenen Kaffee.
    »In gewissem Maße wird eine solche Idee zur sich selbst bewahrheitenden Prophezeiung. Entwicklern wird beigebracht, sie sollen Figuren erfinden, die eine Geschichte haben und für die oder um die herum sie dann ihre Produkte entwickeln. Das ist Standard. Bei der Markenbildung wird ähnlich vorgegangen — bei der Einführung neuer Produkte, neuer Unternehmen, bei allem Möglichen.«
    »Das funktioniert also?«
    »Oh, und wie!«, sagte er. »Aber weil es funktioniert, wird es auch Realität. Wenn erst einmal klar ist, wie alles läuft, ziehen die innovativen Ideengeber weiter. Suchen sich neue Nistplätze.«
    »Zum Beispiel?«
    »Da kommen Sie ins Spiel«, sagte er. »Von wegen.«
    Er lächelte. Wie immer zeigte er dabei zwei Reihen sehr weißer Zähne.
    »Sie haben Speck zwischen den Zähnen«, sagte sie, obwohl es nicht stimmte.
    Er bedeckte seinen Mund mit der weißen Serviette und bemühte sich, das nicht vorhandene Fitzelchen Speck zu finden. Dann ließ er den Arm sinken und fletschte die Zähne.
    Sie tat so, als würde sie nachschauen. »Ich glaube, Sie haben ihn erwischt«, sagte sie. »Und ich bin nicht an Ihrem Angebot interessiert.«
    »Sie sind eine Bohemien«, sagte er, faltete die Serviette und legte sie auf das Tablett neben den Teller.
    »Soll heißen?«
    »Sie hatten noch nie eine feste Anstellung. Sie arbeiten freiberuflich. Schon immer. Sie haben keinerlei Besitz angehäuft.«
    »Was nicht nur daran liegt, dass ich es nicht versucht hätte.«
    »Nein«, sagte er. »Aber wenn Sie es versuchen, sind Sie kaum mit dem Herzen bei der

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