System Neustart
die Engländer doch für Schweine!
Und hinab, in das Stockwerk über dem getäfelten Foyer, wo die Trinkerei und das Kontakteknüpfen von gestern Abend keine Spuren hinterlassen hatten und wo die Kellner, dem Dekor des überlangen Raumes gegenüber beruhigend unempfänglich, ihren morgendlichen Pflichten nachgingen. Sie begab sich in den hinteren Bereich und setzte sich an einen Zweiertisch unter etwas, das ursprünglich einmal ein mit Intarsien verzierter Gewehrständer gewesen sein mochte, aus dem jetzt aber ein halbes Dutzend Narwalstoßzähne sprossen.
Die junge Italienerin brachte ihr unaufgefordert eine Kanne Kaffee, ein Kännchen aufgeschäumte Milch und die Times.
Sie hatte sich gerade die zweite Tasse eingeschenkt und noch keinen Blick in die Times geworfen, als sie Hubertus die Treppe heraufkommen sah. In einen weiten, hellgrauen Trenchcoat gehüllt, durchquerte er den langen Raum.
Er war der ultimative Veloursmorgenmanteltyp - im Laufen knotete er schon den Gürtel auf. Zum Vorschein kam der einzige Anzug in Yves-Klein-Blau, den sie je gesehen hatte. Irgendwie gelang es ihm, ihr bei jeder Begegnung den Eindruck zu vermitteln, er sei sichtlich gewachsen, allerdings ohne zuzunehmen. Er wurde einfach größer. So, als würde er ihr immer näher kommen.
Wie jetzt, derweil die frühstückenden Gäste des Cabinet zurückzuckten, als er an ihrem Tisch vorüberging, nicht etwa aus Angst vor dem ernormen Mantel, der hinter ihm herflatterte, oder vor dem gefährlich pendelnden Gürtel, sondern weil sie erkannten, dass er sie nicht wahrnahm.
»Hollis«, sagte er. »Sie sehen umwerfend aus.« Sie stand auf, damit er ihr einen Luftkuss geben konnte. Aus der Nähe wirkte er immer so, als hätte er wenigstens ein paar Liter Blut zu viel im Körper. So rosig wie ein Schwein. Wärmer als ein normaler Mensch. Und er duftete nach irgendeinem altehrwürdigen europäischen Rasierwasser.
»Wohl kaum«, sagte sie. »Aber Sie dagegen! Ihr Anzug!«
»Mr. Fish«, sagte er und schlüpfte aus dem Trenchcoat. Sein Hemd war von einem äußerst blassen Gold, und die Seidenkrawatte hatte fast dieselbe Farbe.
»Er ist wirklich gut«, sagte sie.
»Er ist nicht tot«, erwiderte Bigend mit einem Lächeln und ließ sich auf dem Lehnstuhl ihr gegenüber nieder. »Tot?« Sie nahm ebenfalls wieder Platz.
»Offenbar nicht. Nut unmöglich zu finden. Ich habe seinen Schneider ausfindig gemacht«, sagte er. »Bei Savile Row.« »Das ist Yves-Klein-Blau, habe ich recht?« »Natürlich.«
»Sieht radioaktiv aus. Bei einem Anzug.« »Es irritiert die Leute«, sagte er.
»Ich hoffe, Sie haben ihn nicht wegen mir angezogen.« »Keineswegs.« Er lächelte. »Ich trage ihn, weil ich mich darin wohl fühle.« »Kaffee?«
»Schwarz.«
Sie gab der Italienerin ein Zeichen. »Wie war der Black Metal?«
»Tremolo-Picking«, sagte er, vielleicht ein wenig gereizt. »Das Schlagzeug mit Double Base. Reg glaubt, dass da was dran ist.« Er legte den Kopf leicht schräg. »Was denken Sie?«
»Ich bin nicht auf dem Laufenden.« Sie goss etwas Milch in ihren Kaffee.
Die junge Italienerin kam zurück, um ihre Frühstücksbestellung aufzunehmen. Hollis orderte Haferflocken mit Früchten, Bigend das englische Frühstück mit allem Drum und Dran.
»Ihr Buch hat mir wirklich gefallen«, sagte er. »Und es wird erfreulich gut aufgenommen, finde ich. Vor allem der Artikel in der Vogue war toll.«
»Alternde Rocksängerin veröffentlicht Bilderbuch?«
»Nein, wirklich. Er war sehr gut.« Er zupfte an dem Trenchcoat, den er über die Armlehne seines Stuhls drapiert hatte. »Arbeiten Sie inzwischen an etwas anderem?«
Sie trank einen Schluck Kaffee.
»Sie sollten da unbedingt etwas nachschieben«, sagte er. »Meinen Sie?«
»Von einem Skandal einmal abgesehen«, sagte er, »sieht die Gesellschaft es nur ungern, wenn jemand, der für etwas berühmt ist, noch für etwas anderes berühmt wird.«
»Ich versuche nicht, berühmt zu werden.«
»Sie sind es bereits.«
»War. Kurzzeitig. Und auch eher in bescheidenem Rahmen.«
»Eine unbestreitbare Prominenz.« Er sagte es wie ein Arzt, der eine besonders offensichtliche Diagnose stellt.
Dann saßen sie schweigend da, und Hollis tat so, als würde sie die ersten Seiten der Times überfliegen, bis die junge Italienerin mit einem ebenso hübschen wie dunkelhaarigen jungen Mann an den Tisch zurückkehrte, jeder ein Holztablett mit Messinggriff in Händen. Diese stellten sie auf dem niedrigen Kaffeetisch ab und
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