System Neustart

militärisch kurz war, oben aber einen seidigen Wuschelkopf bildete. Er wirkte besorgt.
    »Das wächst nach«, sagte Garreth. »Milgrim, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Hose auszuziehen?«
    Milgrims Blick glitt zwischen Fiona und Garreth hin und her - er musste an Jun im Hinterzimmer des Tanky&Tojo denken.
    »Die Überhosen«, sagte Garreth. »Ajay muss sich einen Eindruck verschaffen, wie Sie sich bewegen.«
    »Bewegen«, sagte Milgrim und stand auf. Dann setzte er sich wieder und bückte sich, um sich die Schuhe aufzubinden.
    »Nein, nein«, sagte Fiona und sprang auf. »Dafür gibt es Reißverschlüsse.« Sie kniete sich vor ihn hin und öffnete den etwa dreißig Zentimeter langen Reißverschluss am Innensaum der gepolsterten Hose. »Steh auf!« Er gehorchte. Fiona griff nach oben und zog den breiten Plastikreißverschluss am Hosenschlitz auf, öffnete einige Klettverschlüsse und zog die Hosen nach unten. Milgrim spürte, wie er knallrot wurde.
    »Komm schon«, sagte Fiona. »Geh einen Schritt zur Seite!«

67. Zerquetschte Maus
    Ajay ertrug sein Leid mit stoischer Gelassenheit. Er saß, unter sich Handtücher ausgebreitet, auf etwas, das Milgrim als Schminkhocker aus der Biedermeierzeit bezeichnet hätte, in der hell erleuchteten, gefliesten Höhle des Badezimmers von Nr. 4, während Chandra sich mit einer Schere vorsichtig an seinem Wasserfall zu schaffen machte. Milgrim leistete ihnen Gesellschaft und »bewegte sich«, während Ajay ihn immer wieder eingehend studierte. Auch Chandra hielt zwischendurch immer wieder inne, beobachtete Milgrim und wandte sich dann wieder Ajays Haaren zu. Hollis wartete darauf, dass jemand etwas sagte.
    »Was ist denn das?«, fragte Milgrim schließlich - offenbar war ihm die Dusche erst jetzt aufgefallen. »Die Dusche«, sagte Hollis. »Bewegen Sie sich!«, befahl Ajay.
    Milgrim steckte die Hände in die Taschen seiner seltsamen neuen Hose.
    »War das typisch für Sie?«, fragte Ajay.
    »Halt still«, befahl Chandra und hob die Schere.
    »Ich?«, fragte Milgrim.
    »Ajay«, sagte Chandra und strich ein paar schwarze Haare von ihrem schwarzen Rock, die sich dorthin verirrt hatten. In diesem Licht wirkten ihre schwarzen Lippen ganz besonders dramatisch.
    Hollis schaute zu Fiona hinüber, die am Fuß des Bettes saß und Garreth aufmerksam zuhörte, hin und wieder Fragen stellte und sich in einem mit Aufklebern gespickten Moleskine Notizen machte.
    Garreth hatte gerade unterbrechen müssen, weil der Mann angerufen hatte, der Peps Elektrorad baute. Dabei war Peps Rahmen mit den gekrümmten Gabeln auf der Strecke geblieben, weil diese hätten »kaltgebogen« werden müssen, damit die Antriebsnabe Platz hätte, und das war etwas, was der Fahrradbauer und Garreth ganz offensichtlich als Sakrileg betrachteten. Garreth hatte sich stattdessen für Carbonfasern entschieden, hatte dann jedoch Pep anrufen müssen, um ihm das zu erklären, was wiederum zu einer Vereinbarung geführt hatte, doch zwei Motoren zu verwenden.
    Hollis fühlte sich an einen Regisseur erinnert, der sich auf ein Musikvideo vorbereitete, etwas, dem The Curfew weitgehend hatten entgehen können. Später hatte Hollis mehrere solcher Videodrehs miterlebt, über Inchmale und die verschiedenen Bands, die er produzierte, und sie hatte den Entstehungsprozess stets weit interessanter und unterhaltsamer gefunden als das Endprodukt.
    In diesem Fall hatte sie noch immer eine nur ungenaue Vorstellung, was Garreth überhaupt filmen wollte.
    »Gehen Sie jetzt besser raus«, hörte sie Chandra sagen, »und schließen Sie die Tür. Das Zeug stinkt ganz schön.« Hollis drehte sich um und sah Milgrim auf sich zukommen, während Chandra eine Sprühdose schüttelte. »Mach die Augen zu«, sagte Chandra zu Ajay.
    Milgrim schloss die Tür hinter sich.
    »Alles okay mit Ihnen?«, fragte Hollis. »Wo waren Sie denn?«
    »In Southwark. Mit Fiona.« Er klang wie jemand, der gerade von einem Wochenende in einem Heilbad erzählte. Und schenkte ihr ein ungewohntes Lächeln.
    »Tut mir leid wegen Heidi«, sagte sie.
    Er runzelte die Stirn. »Ist etwas passiert?«
    »Nein, ihr geht es gut. Ich meinte, tut mir leid, dass sie Laubfrosch angegriffen hat und Sie deswegen Ärger bekommen haben.«
    »Das war nur gut so«, sagte er. »Sonst hätten sie uns erwischt. Mich jedenfalls.« Und plötzlich war er vollständig da, eine in sich geschlossene Einheit, der gerissene Um-die-Ecken-Späher nahtlos mit seinem verträumten, losgelösten Ich