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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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rief Garreth durch die Tür.
    Ajay warf das Handtuch in die Ecke, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    »So ist er immer«, sagte Chandra, womit Milgrim nur bedingt etwas anzufangen wusste. »Die Armee ist nicht allein schuld.« Sie schnippelte noch etwas an seinen Haaren herum und nahm dann das Handtuch fort, das sie ihm um den Hals gelegt hatte. »Stehen Sie auf. Wie gefällt es Ihnen?«
    Milgrim erhob sich. Ein anderer Milgrim, merkwürdig soldatisch, vielleicht sogar jünger, erwiderte seinen Blick aus der beschlagenen Spiegelwand über dem Doppelwaschbecken. Er hatte den Kragen seines neuen Hemdes zugeknöpft, damit keine Haare hineingerieten, und das ließ ihn noch weniger vertraut wirken. Ein Fremder mit einer imaginären Krawatte. »Das ist gut«, sagte Milgrim. Und das war es auch. »Darauf wäre ich nicht gekommen. Vielen Dank!«
    »Bedanken Sie sich bei Ihrem Freund auf dem Bett«, sagte Chandra. »Das war der teuerste Haarschnitt, den Sie je hatten. Mit Abstand.«
    Ajay öffnete die Tür. Er trug Milgrims zerknautschte Baumwolljacke. Seine Schultern waren dafür ein wenig zu breit. »Ihre Schuhe sind etwas zu lang«, sagte Ajay, »aber ich kann mir vorne was reinstecken.«
    »Milgrim«, sagte Garreth, »setzen Sie sich zu mir! Fiona hat mir erzählt, dass Sie ein Naturtalent sind, wenn es darum geht, diese Ballons zu steuern.«
    »Meine Hand-Auge-Koordination ist gut«, erklärte Milgrim. »Das haben sie mir in Basel gesagt.«

63. Pop-up
    »Hier?« Sie erkannte den namenlosen Jeans-Shop in der Upper James Street wieder. Dunkel, nur schwach von Kerzenschein erleuchtet. Ein pulsierendes Glimmen, fast unsichtbar.
    »Sie veranstalten ein Pop-up«, sagte Meredith.
    »Das fangt erst in einer Stunde an«, erwiderte Clammy, der Hollis ungewöhnlich gutgelaunt vorkam. »Aber ich bin als Erster an der Reihe.«
    »Du kannst dir etwas aussuchen«, sagte Meredith. »Aber dann sind wir quitt. Und keine Fragen! Dann behelligst du Bo nie wieder! Solltest du noch einmal da hingehen, wird sie dich nicht kennen.«
    »Perfekt«, sagte Clammy und trommelte erwartungsvoll auf dem Lenkrad herum.
    »Wer ist Bo?«
    »Sie haben sich schon kennengelernt«, sagte Meredith. »Kommen Sie. Los jetzt. Sie warten schon.« Sie öffnete die Beifahrertür des kleinen Wagens, zog sich in die Vertikale und kippte den Beifahrersitz nach vorne. Hollis kämpfte sich hinaus. »Sie haben etwas Zeit, bevor wir nachkommen«, sagte Meredith und stieg wieder ein. Sie schloss die Tür, und Clammy fuhr los; Regen perlte über das niedrige Wagendach.
    Als Hollis vor den Laden trat, öffnete ihr die attraktive Frau mit dem graumelierten Haar, bedeutete ihr mit einer Handbewegung einzutreten und schloss die Tür wieder.
    »Sie sind Bo«, sagte Hollis. Die Frau nickte. »Ich heiße Hollis.«
    »Ja«, sagte die Frau.
    Es roch nach Vanille und noch etwas anderem, das den Dschungelduft des Indigo überlagerte. Kerzen flackerten im Zwielicht des Ladenlokals - sie standen überall auf den massiven Holzbohlen, an die sich Hollis von ihrem letzten Besuch her erinnerte. Aromatherapiekerzen, der aufwendig gemischte Talg in teuer aussehende Gläser mit lotrechten Seiten gegossen; die Dochte aus papierdünnen Holzplättchen knisterten leise. In die Gläser war, kaum sichtbar, das Hounds- Logo gesandstrahlt. Zwischen den Kerzen lagen eine zusammengelegte Jeans, eine zusammengelegte Khakihose und ein zusammengelegtes Chambray-Hemd. Daneben stand ein schwarzer, knöchelhoher Stiefel. In seinem glatten Leder spiegelte sich der Kerzenschein.
    »Nächstes Jahr«, sagte Bo. »Außerdem in Oxfordbraun, aber die Muster sind noch nicht fertig.«
    Hollis nahm die zusammengelegte Jeans in die Hand. Sie war tintenschwarz und ungewöhnlich schwer. Sie drehte sie um und entdeckte den kindsköpfigen Hund, der dezent in einen Lederflicken am Hosenbund gebrannt war. »Kann man die kaufen? Heute Abend?«
    »Wir erwarten Freunde. Als Sie damals hier waren, konnte ich Ihnen nicht weiterhelfen. Ich hoffe, das verstehen Sie.«
    »Aber ja«, sagte Hollis, obwohl sie sich dessen nicht ganz sicher war.
    »Hier entlang, bitte. Kommen Sie!«
    Hollis folgte ihr, zog den Kopf ein und trat durch einen Durchgang, der teilweise von einem dunklen Noren verdeckt wurde, auf dem ein weißer Fisch prangte. Hier stand kein weißer Ikea-Tisch, die Eleganz des Ladens erstreckte sich auch bis in den Hinterraum. Der Raum war kleiner, aber ebenso sauber und ordentlich, mit dem gleichen

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