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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hergestellt hatte, bankrott gegangen war. »Glück gehabt«, sagte Milgrim und zuckte zusammen, als er sich vorstellte, wie Sleight irgendwie über Bluetooth seine Worte mithörte. Aber wenn Laubfrosch für Sleight arbeitete, was nur eine Möglichkeit war, wie hatte er sie dann in dem Einkaufszentrum gefunden? Vielleicht folgte er stattdessen Hollis? Aber schließlich hing auch Laubfroschs Bild an Winnies Wand.
    Das Neo in seiner Hand läutete.
    »Ja?«
    »Wo sind Sie?« Hollis. »Ich habe Sie vorbeigehen sehen.« »Können wir uns treffen? Beim Eingang, im Erdgeschoss.« »Sind Sie hier oben?« »Nein, im Erdgeschoss.« »Schon unterwegs«, sagte sie.
    »Gut«, sagte er und legte auf. Er kämpfte gegen den Drang an, Sleight zuliebe eine Melodie zu pfeifen, als er das Handy in die Jackentasche steckte. Dann zog er die Jacke aus, wickelte sie einige Male um das Handy, schob sich das Bündel unter den Arm und machte sich auf den Weg zur Treppe.

25. Stanniol
    Hollis entdeckte Milgrim, als dieser seine Jacke gerade der jungen Japanerin an der Garderobe reichte. »Ich bin fertig«, sagte sie. »Wir können gehen, wenn Sie so weit sind.«
    Milgrim drehte sich um, nahm ihre Hand und führte sie von der Garderobe weg.
    »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«
    »Mein Telefon«, sagte Milgrim und ließ erst auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs ihre Hand los. »Sie belauschen mich damit.«
    Stanniolhütchen. Leute, deren Plomben Botschaften übertrugen, die ihre Gedanken kontrollierten. »›Sie‹ wer?« »Sleight. Bigend traut ihm nicht.«
    »Ich ebenso wenig.« Das hatte sie noch nie. Und wenn sie an Sleight dachte, dann klang Milgrim plötzlich gar nicht mehr so verrückt. Das war das Problem mit Bigends Welt. Die Leute machten die unglaublichsten Sachen. Leute wie Sleight jedenfalls. Andererseits, vielleicht war Milgrim auch verrückt.
    Oder auf Drogen. Was, wenn er rückfällig geworden war? Und sich wieder das Zeug besorgt hatte, das sie ihm in der Schweiz abgewöhnt hatten? Wo war der stets halb abwesende Mensch geblieben, den sie erst vor Kurzem kennengelernt hatte? Milgrim wirkte aufgeregt und schwitzte leicht, als wäre er wegen irgendetwas wütend. Er sah plötzlich aus wie jemand, der eine gewisse Klarheit über sich selbst erlangt hatte, und das hatte bisher gefehlt. Dieser Mangel war es gewesen, weshalb er ihr so absonderlich vorgekommen war, jedoch ohne einen Eindruck bei ihr zu hinterlassen. Sie schaute jemandem in die Augen, der plötzlich irgendwo angekommen war, und dem das Angst machte. Aber Milgrims Reise hatte in seinem Innern begonnen. Und all das nur, weil er jemanden gesehen hatte? Jemanden, wie sie zugeben musste, den sie im Keller ebenfalls zu sehen geglaubt hatte. »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie. »Vielleicht.«
    »Wo?« Milgrim trat einen Schritt zurück und ließ zwei agile amerikanische Pensionäre vorbei, die auf die Treppe zuschritten.
    Für Hollis sahen die beiden aus wie zwei gealterte Metalfans in teurer Zivilkleidung; anscheinend unterhielten sie sich über Golf. Ob sie wohl klassische Chanelkostüme sammelten? »Im Untergeschoss«, sagte sie. »Ich hab im Fahrstuhl auf den falschen Knopf gedrückt. Dann ist er die Treppe heruntergekommen. Glaube ich.«
    »Was haben Sie da getan?«
    »Ich bin wieder in den Fahrstuhl gestiegen. Und raufgefahren. Seither bin ich ihm nicht mehr begegnet, aber ich war auch beschäftigt.« »Er ist hier«, sagte Milgrim. »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Ich habe eine Aufnahme von ihm gemacht. Pamela möchte sie haben. Ich könnte sie Ihnen zeigen, aber die Karte ist nicht in meiner Kamera.«
    »Ist er jetzt hier?« Sie schaute sich um.
    »Ich habe ihn hinausgehen sehen.« Er blickte zum Eingang hinüber. »Was nicht heißt, dass er nicht wieder zurückgekommen ist.«
    »Ich habe Bigend gefragt. Er behauptet, dass er uns nicht beobachten lässt.«
    »Glauben Sie ihm?«
    »Kommt darauf an, wie wichtig ihm das ist. Aber zwischen uns hat es deswegen früher böses Blut gegeben. Wenn er mich noch einmal reinlegt und ich das herausfinde, schmeiß ich die Sache hin. Und das weiß er.« Sie schaute Milgrim in die Augen. »Sie sind nicht high oder so was?«
    »Nein.«
    »Sie wirken irgendwie anders. Ich mache mir Sorgen um Sie.«
    »Ich bin auf dem Weg der Besserung«, sagte Milgrim. »Da soll ich mich schließlich verändern. Wenn ich high wäre, wäre ich überhaupt nicht anders.«
    »Sie wirken wütend.«
    »Nicht auf Sie.«
    »Aber vorher waren Sie nicht

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