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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Hässlichsten waren dafür am besten geeignet. Die Schicksten fielen immer auseinander. Die Stylisten haben sich über die Schuhe unterhalten, weil ich damit immer zu den Aufnahmen aufkreuzte. Sie haben darüber geredet, wie es in der Branche so läuft. Die Fabriken in China und Vietnam. Die großen Konzerne. Und da fing ich an, von Schuhen zu träumen, die nicht hässlich waren und die nicht auseinanderfielen.« Sie lächelte wehmütig. »Abseits von jeglicher Mode. Ich habe ein paar Zeichnungen gemacht. Ziemlich schlechte. Aber ich hatte bereits beschlossen, dass ich alles über Schuhe wissen wollte, ihre Geschichte, aus was sie bestehen, bevor ich irgendwas probierte. Keine bewusste Entscheidung, aber eine Entscheidung. Also hab ich mich beim Cordwainers beworben und wurde angenommen. Und bin nach London gezogen. Oder besser gesagt, hörte auf umzuziehen. In London. Vielleicht gefiel mir die Vorstellung, jeden Tag in derselben Stadt aufzuwachen, aber ich hatte eine Mission — die geheimnisvollen Laufschuhe, von denen ich allerdings noch keine klare Vorstellung hatte.«
    »Und dann haben Sie sie tatsächlich hergestellt?«
    »Zwei Saisons lang. Wir konnten uns einfach nicht von den Strukturen lösen. Aber das war erst, nachdem ich meinen Abschluss gemacht hatte. Ich könnte noch heute eigenhändig ein ziemlich umwerfendes Paar Schuhe für Sie machen, auch wenn mein damaliger Tutor bestimmt nicht davon begeistert wäre. Aber sie haben uns wirklich alles beigebracht. Erschöpfend.«
    »Laufschuhe?«
    »Das Modellieren der Sohlen und die Vulkanisierung nicht, aber das Oberteil schneiden und nähen kann ich immer noch. Für unsere Kollektion haben wir in erster Linie Elch verwendet. Sehr dick und geschmeidig. Herrlich!« Sie betrachtete die Sicherungskabel in ihrer Hand. »Im meinem zweiten Jahr dort hab ich jemanden kennengelernt, einen Typen, Danny. Amerikaner. Aus Chicago. Ging nicht aufs Cordwainers, kannte aber alle meine Freunde dort. Skater. Na ja, viel geskatet ist er nicht. Ein selbständiger Unternehmer, in gewisser Hinsieht, aber nichts allzu Widerwärtiges. Drehte Filme für einige der amerikanischen Firmen. Wir wohnten zusammen. In Hackney. Er trug Hounds«, sagte Meredith und schaute von ihren Kabeln auf, »bevor sie Hounds waren.« »Wie das?«
    »Er hatte eine Jacke, die der ziemlich ähnlich war, die Sie da tragen, aber aus einem segeltuchartigen Material, eierschalenfarben, mit einfachen Messingknöpfen. Musste andauernd gewaschen werden. Nichts Besonderers, aber irgendwie wollte sie jeder sofort haben oder wenigstens den Namen des Designers oder der Marke wissen. Er lachte sie aus. Behauptete, sie wäre no-name. ›Scheiße‹, sagte er dann immer, ›die ist echt, kein Modeaccessoire.‹ Eine Freundin aus Chicago hätte sie für ihn angefertigt.«
    »Chicago?«
    »Chicago. Wo er herkommt.«
    »War seine Freundin Designerin?«
    »Das hat er nie gesagt.«
    »Wissen Sie sonst noch etwas über sie?«
    »Leider nicht. Sie war genauso no-name wie die Jacke. Er hat mir nie verraten, wie sie heißt.« Sie sah Hollis direkt in die Augen. »Ich glaube nicht, dass sie mal seine Freundin war. Eher älter, vermute ich. Und seinen Äußerungen zufolge machte sie das eher als Hobby. Er sagte, das wäre mehr eine Abneigung denn eine Neigung, wenn das irgendeinen Sinn ergibt. Und sie war verdammt gut. Mir gab es jedenfalls das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Mit den Schuhen, die ich designte. Auf irgendeinem Weg jedenfalls.«
    »Und was war Ihr Weg?«
    »Dinge, die nicht an den gegenwärtigen Augenblick gekoppelt sind. Eigentlich an gar keinen Augenblick, also auch nicht retro. «
    »Was ist mit Ihrer Kollektion passiert?«, fragte Hollis.
    »Wir sind an den Rahmenbedingungen gescheitert. Es ist uns nicht gelungen, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln. Unsere Kapitaldecke war nicht stabil genug, um die Verkommenheit der Branche zu überwinden. Wir haben einen astreinen Crash hingelegt. Gut möglich, dass in Seattle noch ein ganzes Lagerhaus mit unserer letzten Kollektion existiert. Wenn ich es finden könnte, würden die Verkäufe auf eBay mehr einbringen, als wir jemals mit der Kollektion verdient haben.«
    George hielt eine ramponierte Galeries-Lafayette-Tüte auf, und Mere warf die Sicherungskabel hinein.
    »Kann ich Sie zum Abendessen einladen?«, fragte Hollis.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte George.
    »In St. Germain. Neben der Metro-Station Odeon.«
    »Da kenne ich ein Lokal«, sagte George. »Ich

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