System Neustart
folgte, der genau diese Bewegung beschrieb. Irgendwie kam ihm das unwahrscheinlich vor, auch wenn er nicht wusste, warum. Sleight tat ständig solche Dinge.
Milgrim legte das Neo auf das Taschentuch, sodass es in der Mulde zwischen seinen Knien ruhte. Dann entfaltete er die beiden anderen Tücher und begann es sorgfältig zu polieren. Als er damit fertig war, erinnerte er sich, dass er auf dem Flug nach Atlanta aus Langeweile einmal das Rückenteil entfernt hatte. Er öffnete es erneut, wischte die Innenseite und die Oberfläche ab und schloss es dann wieder. Schließlich fuhr er noch einmal über das Gehäuse, wickelte es sorgfältig in das erste Taschentuch und steckte es in die Tasche. Die beiden anderen Tücher knüllte er zusammen und wischte sich damit die Hände ab.
»Sind Sie schon mal in Paris gewesen?«, fragte Hollis.
Sie wirkte entspannt, ihre Handtasche auf dem Schoß, der dunkle Kragen ihrer Denim-Jacke hochgeschlagen. »Einmal«, sagte er. »Nach meinem Studium an der Columbia. Einen Monat lang, mit einer anderen Absolventin. Wir haben zur Untermiete in einer Wohnung gewohnt.«
»Hat es Ihnen gefallen?«
»Es war schön, mit jemand zusammen hier zu sein.« Sie blickte aus dem Fenster, als würde sie sich an etwas erinnern. Dann sah sie ihn wieder an. »Waren Sie verliebt?« »Nein.« »Ein Paar?«
»Ja«, sagte er, obwohl es ihm seltsam vorkam, das auszusprechen. »Es hat wohl nicht geklappt?«
»Ich war nicht wirklich bereit«, sagte er. »Damals wusste ich das zwar noch nicht, aber so war es. Das habe ich in Basel herausgefunden.« Ihm fiel wieder Sleight ein, der möglicherweise zuhörte. Er deutete auf die Tasche, in der sich das in ein Taschentuch gewickelte Neo befand.
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Schon gut.«
Sie bogen nach rechts ab und dann wieder nach links, an einer Kreuzung, wo er einen Blick auf das Schild der Metro Strasbourg- Saint-Denis erhaschte. Der Verkehr wurde hier dichter.
Eine Weile lang fuhren sie schweigend weiter. Dann öffnete er den obersten Knopf seines Hemdes und holte den Faraday-Beutel heraus.
»Was ist das?«
»Eine Metro-Station«, sagte er für Sleights Ohren und legte dann den Zeigefinger an die Lippen. Sie nickte.
Er öffnete den Beutel, steckte das Neo hinein und schloss ihn wieder. »Der blockiert Funksignale. Als würde man sich in einem Aufzug befinden. Falls er gelauscht hat, kann er uns jetzt nicht mehr hören. Und er weiß auch nicht mehr, wo wir sind.« »Wozu haben Sie den?«
»Er hat ihn mir gegeben«, sagte er. »Für meinen Pass. Er hat Angst, jemand könnte den Mikrochip lesen.« »Kommt das denn vor?« »Leute wie Sleight tun das.« »Wie funktioniert der Beutel?«
»Es ist mit Metallfasern ausgekleidet. Als ich es vorhin ausprobiert habe, hat er den Kontakt verloren. Er hat gedacht, ich würde mich in einem Aufzug befinden.«
»Aber wenn das so einfach ist«, sagte sie, »warum hat er Ihnen dann den Beutel gegeben?«
»Ich glaube, diese Chip-Lese-Geschichte macht ihm wirklich Angst. Weil er das selbst schon mal getan hat.«
»Aber damit hat er Ihnen doch ein Mittel an die Hand gegeben, wie Sie sich der Überwachung entziehen können.«
»Als ich das Handy vorhin in den Beutel gesteckt habe, habe ich damit zum ersten Mal etwas bewusst gegen seinen Willen getan. Als ich ihn kennengelernt habe, ging es mir nicht gut. Er hat für Bigend gearbeitet, und ich habe gemacht, was er mir gesagt hat.«
Sie sah ihn an und nickte dann. »Verstehe.«
»Sleight hat das richtig gefallen«, sagte er, »dass jemand genau macht, was er sagt.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Ich glaube nicht, dass er auf den Gedanken gekommen ist, ich könnte das Neo in den Beutel stecken.«
»Was werden Sie in den Galeries Lafayette machen?«
»Ich werde warten, bis Sie weg sind, und dann das Neo wieder aus dem Beutel nehmen. Und abwarten, ob jemand auftaucht.«
»Und wenn uns nun jemand auf die altmodische Weise folgt?«
»Lassen Sie sich von dem Fahrer zu einer Metro-Station bringen. Kennen Sie sich mit der Metro aus?«
»Ein bisschen.«
»Wenn Sie es geschickt anstellen, können Sie mögliche Verfolger dort loswerden.« »Wir sind da.«
Er sah, dass sie sich auf dem Boulevard Haussmann befanden. Der Fahrer blinkte, um am Gehsteig zu halten.
»Seien Sie vorsichtig«, sagte sie. »Wenn das wirklich der Mann war, den ich da im Keller gesehen habe, dann hat er mir gar nicht gefallen.«
»Beim Salon hatte ich nicht das Gefühl, dass er etwas taugt«,
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