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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Buchpräsentation in England. Warum?« »Wann bist du wieder hier?« »Morgen. Was soll das alles?«
    »Ich möchte nur sichergehen, dass Ajay und ich über denselben Typen reden.« »Ajay?«
    »Inder. Na ja, Engländer. Ich werde herausfinden, was ich kann, und dann werden wir beide uns unterhalten.« Damit legte sie auf.
    Hollis wischte sich mit der Ecke eines Handtuchs über die Augen, und die goldenen Schriftzüge kehrten an ihren Platz auf der blutroten Tapete zurück. Und zitterten.

30. Sichtung
    Milgrim verließ das weiße Teegeschäft und ging in die Richtung, in der er die Seine vermutete. Dabei bevorzugte er Straßen, die möglichst senkrecht zu der verliefen, in der er seinen Tee getrunken hatte. Er fragte sich, wie ihm jemand vom Salon du Vintage bis hierher hatte folgen können. Höchstwahrscheinlich direkt, auf einem Motorrad.
    Wenn der gelbe Helm tatsächlich derselbe war wie der, den er in London gesehen hatte, dann war der Motorradfahrer der Kurier, der ihm den Ausdruck von Winnie gebracht hatte, das Foto, das vermutlich Sleight in Myrtle Beach gemacht hatte. Pamela hatte es ihm geschickt, nachdem er sich mit Bigend getroffen hatte, auf dem Weg zurück zum Hotel. Wussten sie, wer und was Winnie war? Sie schössen alle ständig Fotos voneinander, und jetzt hatte er es in ihrem Auftrag ebenfalls getan.
    Er war in eine Straße mit teuer aussehender afrikanischer Volkskunst geraten. Große dunkle Holzstatuen in kleinen Galerien, hervorragend ausgeleuchtet. Mit Nägeln übersäte Fetische, die auf furchtbare Gemütszustände schließen ließen.
    Aber hier gab es auch einen kleinen Fotoladen. Er ging hinein und kaufte bei einem freundlichen Perser, der eine Brille mit Goldgestell und eine adrette graue Strickjacke trug, einen chinesischen Kartenleser. Er steckte den Kartenleser in die Tasche zu Hollis' Laptop und ihrem Buch und ging weiter.
    Irgendwie hatte seine Furcht inzwischen etwas nachgelassen, obwohl das Hochgefühl, das er verspürt hatte, nachdem er das Neo losgeworden war, wahrscheinlich nicht wiederkehren würde.
    Die Frage war nun, ob der Motorradfahrer - wenn er sich wegen des Helms nicht geirrt hatte - für Sleight oder für Bigend arbeitete oder für beide. Und wie konnte er sich sicher sein, dass Bigend Sleight wirklich misstraute? Soweit Milgrim wusste, hatte Bigend ihn noch nie angelogen. Sleight dagegen war ihm von Anfang an nicht besonders vertrauenswürdig erschienen. Als läge ihm der Verrat im Blut.
    Er dachte an seine Therapeutin. Wenn sie hier wäre, würde sie ihn wahrscheinlich daran erinnern, dass die ganze Situation, egal, wie bedrohlich oder gefährlich sie sein mochte, rein äußerlicher Natur war und daher eindeutig besser als die, in der er sich befunden hatte, als er nach Basel gekommen war. Jene Situation war in ihm gewesen und hatte deshalb scheinbar keinen Ausweg geboten. »Sie dürfen die Bedrohung nicht verinnerlichen. Wenn Sie das tun, wird ihr Körper mit Adrenalin und Cortisol geflutet, wodurch Sie völlig gelähmt werden.«
    Er griff nach dem Neo, um zu schauen, wie spät es war. Doch es war nicht mehr da.
    Er ging weiter bis zu einer Straße, die die Bezeichnung Rue Git-le-Coeur trug, wie er an einem emaillierten Schild an einer Hauswand ablesen konnte. Die Straße war schmaler und noch mittelalterlicher als die anderen. Ein paar Regentropfen fielen vom Himmel, der sich zugezogen hatte, während er in dem Teeladen gewesen war. Er sah sich unauffällig nach einem gelben Helm um. Ein Profi würde möglicherweise das Motorrad abstellen und den Helm zurücklassen. Oder - noch wahrscheinlicher - der Motorradfahrer war Teil eines Teams. Er sah einen Buchladen, der etwas Magisches ausstrahlte. Bücher stapelten sich dort wie im Arbeitszimmer eines verrückten Professors. Einen Moment lang geriet er ins Wanken; die Sehnsucht, sich in einem Text zu verlieren, wurde übermächtig. Aber die Bücher schienen zum einen Comics zu sein und konnten ihm daher nicht die nötige Dosis an Wörtern pro Seite liefern, und zum anderen waren sie auf Französisch. Einige davon waren äußerst literarisch wirkende französische Comics, aber ein Großteil gehörte zu der Art, bei der die Figuren alle aussahen wie die junge Frau in dem Teeladen, schlank und großäugig. Dennoch, ein Buchladen. Er verspürte den starken Drang, sich in Büchern zu vergraben. Zu den Stapeln zu gehen, ein paar hinter sich umzustoßen und zu hoffen, dass ihn niemals jemand wiederfand.
    Er seufzte und eilte

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