Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
man an dem gewöhnlichsten Haken einen Blasebalg hängen, von dem Rigous Glück ausgegangen war.
Nach dieser kurzen Beschreibung, deren Stil mit dem der Auktionsplakate wetteifert, kann man sich leicht vorstellen, daß die beiderseitigen Zimmer von Monsieur und Madame Rigou nur das unbedingt Notwendige enthalten durften; doch würde man sich täuschen, wenn man dächte, daß eine solche Sparsamkeit die materielle Güte der Dinge ausschließen könnte. So würde sich die anspruchvollste Zierpuppe erstaunlich gut in Rigous Bett untergebracht gefunden haben, das aus ausgezeichneten Matratzen und feinen Leintüchern bestand, auf denen ein Federbett prunkte, das ehedem von einer Betschwester für irgendeinen Abbé gestiftet worden war. Durch gute Vorhänge wurde das Bett vor Luftzug geschützt. Und so stand es mit allem, wie man sehen soll.
Zuerst hatte der Geizhals seine Frau, die weder lesen, noch schreiben, noch rechnen konnte, zu einem absoluten Gehorsam gezwungen. Nachdem sie den Entschlafenen beherrscht hatte, endigte die arme Kreatur als Magd ihres Gatten, indem sie Küche und Wäsche besorgte, kaum unterstützt von einem sehr hübschen, neunzehnjährigen Mädchen namens Annette, die Rigou ebenso gehorsam war wie ihre Herrin und dreißig Franken jährlich als Lohn bekam.
Groß, dürr und mager, verließ Madame Rigou, eine Frau mit gelbem, nur um die Backenknochen herum geröteten Gesicht, die den Kopf immer mit einem Tuch verhüllt und das ganze Jahr über ein und denselben Rock trug, das Haus keine zwei Stunden im Monat und nährte ihren Eifer mit all der Sorgfalt, die eine ergebne Dienerin einem Hause weiht. Der gewiegteste Beobachter würde keine Spur von der prachtvollen Figur, der Rubensschen Frische, der glänzenden Fülle, der herrlichen Zähne und der Madonnenaugen entdeckt haben, die einstmals das junge Mädchen der Aufmerksamkeit des Pfarrers Niseron empfahlen. Die erste und einzige Entbindung von einer Tochter, der jungen Madame Soudry, hatte die Zähne dezimiert, die Wimpern ausfallen lassen, die Augen um ihren Glanz gebracht und die Hautfarbe welken gemacht. Scheinbar hatte der Finger Gottes sich auf des Priesters Gattin gelegt. Wie alle reichen ländlichen Hausfrauen hatte sie ihre Freude daran, ihre Schränke voller Seidenkleider, entweder in Stoffen oder fertig und neu, voller Spitzen und Geschmeide zu sehen, die ihr nur dazu dienten, die Sünde des Neides zu erwecken und Rigous junge Mägde ihren Tod herbeiwünschen zu lassen. Sie war eines jener halb weiblich, halb tierischen Wesen, die geboren wurden, um instinktmäßig zu leben. Da diese Exschöne Arsène uneigennützig war, würde das Vermächtnis des verstorbenen Pfarrers Niseron ohne das merkwürdige Ereignis, das es zur Folge hatte, unerklärlich sein; und man muß es zur Belehrung der unendlichen Schar der Erbenden berichten. Madame Niseron, die Frau des alten Sakristans, überhäufte ihres Gatten Onkel mit Aufmerksamkeiten; denn die nahe bevorstehende Erbschaft eines zweiundsiebzigjährigen Greises, die auf vierzig und einige tausend Livres geschätzt wurde, mußte der Familie des einzigen Erben zu Wohlstand verhelfen. Und dieser wurde ungeduldig von der verstorbenen Madame Niseron erwartet, die sich außer ihres Sohnes einer reizenden kleinen Tochter erfreute, eines kleinen Schelms, eines Unschuldsengels, eines jener Geschöpfe, die vielleicht nur so vollkommen sind, weil sie bald hinschwinden müssen; denn sie starb mit vierzehn Jahren an der Bleichsucht, wie die Chlorose volkstümlich genannt wird. Als Irrlicht des Pfarrhofs war das Kind bei ihrem Großonkel, dem Pfarrer, wie zu Hause, machte dort gutes und schlechtes Wetter, liebte Mademoiselle Arsène, die hübsche Dienstmagd, welche ihr Onkel 1789 dank der in der Disziplin durch die ersten revolutionären Stürme eingeführten Freiheit zu sich nehmen konnte. Arsène, die Nichte der alten Pfarrersköchin, wurde zu deren Beistand gerufen; denn als die alte Mademoiselle Pichard ihr Ende nahen fühlte, wollte sie zweifelsohne ihre Rechte auf die schöne Arsène übertragen sehen.
Im Jahre 1791, im Augenblick, da Pfarrer Niseron Dom Rigou und dem Bruder Jean eine Zuflucht bot, erlaubte sich die kleine Niseron eine sehr unschuldige Eulenspiegelei. Als die kleine Geneviève mit Arsène und anderen Kindern jenes Spiel spielte, welches darin besteht, daß jeder einen Gegenstand versteckt, den die anderen suchen müssen, und bei dem man, je nachdem die Suchenden sich ihm nähern oder von
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