Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
nachher mit Jean in der Küche zu Tische setzten, während er sein Mahl verdaute und seinen Wein beim Lesen der »Nachrichten« schlürfte.
Auf dem Lande kennt man die Namen der Journale nicht, dort heißen sie alle »Nachrichten«. Das Mittagbrot, ebenso das Frühstück und Abendessen, die sich stets aus den erlesensten Gerichten zusammensetzten, waren mit jener Erfahrung zubereitet, durch die sich die Pfarrersköchinnen auszeichnen. So butterte Madame Rigou zweimal wöchentlich selber. Sahne bildete den Grundstoff zu allen Tunken. Die Gemüse wurden dergestalt gepflückt, daß sie direkt vom Beet in den Kochtopf wanderten. Die Pariser, die daran gewöhnt sind, Grünzeug und Gemüse zu essen, welche ein zweites Wachstum durchmachen, indem sie der Sonne, den Straßenausdünstungen, der Ladengährung ausgesetzt sind, und von den Gemüsehändlerinnen mit Wasser besprengt werden, wodurch sie ihnen die trügerischste Frische geben, kennen den köstlichen Geschmack nicht, den diese Produkte haben, denen die Natur flüchtige, aber kräftige Eigenschaften verliehen hat, wenn sie auf irgendwelche Weise ganz frisch gegessen werden. Der Schlächter in Soulanges brachte sein bestes Fleisch, da er sonst die Kundschaft des gefürchteten Rigou verloren hätte. Das im Hause aufgezogene Geflügel mußte von größter Zartheit sein. Diese peinliche Sorgfalt erstreckte sich auf alle Dinge, die für Rigou bestimmt waren. Wenn die Pantoffeln des klugen Thelemisten aus derbem Leder bestanden, bildete ein gutes Schaffell ihr Futter. Wenn er einen Ueberrock aus festem Stoff trug, geschah es nur, weil er niemals seine Haut berührte; denn sein im Hause gewaschenes und gebügeltes Hemd war von den geschicktesten Händen Frieslands gewebt worden. Seine Frau, Annette und Jean tranken Landwein, den Wein, welchen Rigou von seiner Ernte aufhob; in seinem besonderen Keller aber, der gut versorgt war wie ein belgischer Keller, lagerten die feinsten Weine Burgunds neben denen von Bordeaux, der Champagne, des Rhonetals, von Roussillon und Spanien, die alle zehn Jahre zuvor gekauft und immer von Bruder Jean auf Flaschen gefüllt wurden. Die von den Inseln stammenden Liköre kamen von Madame Amphoux; der Wucherer hatte sich für den Rest seiner Tage bei der Parzellierung eines burgundischen Schloßgutes damit versehen.
Rigou aß und trank wie Ludwig XIV., der einer der größten bekannten Esser war, was die Aufwendungen eines mehr als genießerischen Lebens verriet. Verschwiegen und geschickt in seiner heimlichen Verschwendung, feilschte er um seine geringsten Einkäufe, wie Kirchenleute zu feilschen verstehen. Anstatt unsägliche Vorsichtsmaßregeln zu treffen, um bei seinen Erwerbungen nicht betrogen zu werden, hob der listige Mönch eine Probe auf und ließ sich die Abmachungen schriftlich geben; wenn aber sein Wein oder seine Einkäufe unterwegs waren, teilte er mit, daß er beim geringsten Fehler die Annahme verweigern würde.
Jean, der Vorstand des Obstkellers, war dazu abgerichtet worden, wie man die Erzeugnisse des berühmtesten Obstgartens des Bezirks aufzubewahren habe. Rigou aß zu Ostern noch Birnen, Aepfel und manchmal auch Weintrauben.
Keinem Propheten, der fähig war, ein Gott zu werden, wurde blinder gehorcht, als es bei Rigou in seinen geringsten Launen der Fall war. Die Bewegung seiner dicken schwarzen Augenbrauen versetzte seine Frau, Annette und Jean in die tödlichste Unruhe; er hielt seine drei Sklaven durch die minutiöse Vielfältigkeit ihrer Pflichten, die wie eine Kette auf ihnen lastete, in Schach. Jeden Augenblick sahen die armen Leute sich unter dem Druck einer Zwangsarbeit, einer Ueberwachung; schließlich hatten sie aber eine Art von Vergnügen in dem Vollziehen dieser ständigen Arbeiten gefunden und langweilten sich nicht. Alle drei sahen sie in dem Wohlbehagen dieses Mannes den einzigen und alleinigen Gegenstand ihrer Sorgen.
Annette war seit 1795 das zehnte hübsche Mädchen, das Rigou gemietet hatte, der sich Hoffnung machte, mit diesem Wechsel junger Mädchen die Grube zu erreichen. Mit sechzehn Jahren war Annette zu ihm gekommen, mit neunzehn mußte sie fortgeschickt werden. Jede dieser in Auxerre, in Clamecy, im Morvan mit peinlichster Sorgfalt ausgewählten Mägde war durch das Versprechen eines schönen Lebensloses angelockt worden. Madame Rigou hatte es sich aber in den Kopf gesetzt, leben zu bleiben. Und immer machte am Ende von drei Jahren ein Streit, welcher durch die Unverschämtheit der Magd ihrer
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