Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
auch die harmlosesten Gemüter erschreckt.
Wenn Tonsards Porträt, wenn die Beschreibung seiner Schenke, die seines Schwiegervaters in erster Linie erscheinen, so glaubt bitte, daß dem Manne, der Wirtschaft und der Familie dieser Platz gebührt. Erstens ist diese so peinlich genau geschilderte Existenz für die typisch, welche tausend andere im Tale von Les Aigues führen. Ferner hatte Tonsard, ohne etwas anderes wie das Instrument aktiver und tiefer Haßgefühle zu sein, einen ungeheuren Einfluß auf die Schlacht, die geliefert werden soll, denn er war der Ratgeber aller Kläger der unteren Klasse. Wie man sehen wird, diente seine Kneipe den Angreifern als Stelldicheinsort, ebenso wie er ihr Oberhaupt wurde, infolge des Schreckens, den er dem Tale, weniger durch seine Handlungen als durch das einjagte, was man ständig von ihm gewärtig war. Da die Drohung dieses Wilddiebs ebenso gefürchtet war wie die Tat, so hatte er es nie nötig gehabt, eine in Ausführung zu bringen.
Jede offene oder geheime Revolte hat ihr Banner. Das Banner der Plünderer, Nichtstuer, der Trinker war also die schreckliche Stange des Grand-I-vert. Man amüsierte sich dort, was man auf dem Lande ebenso gern tut und ebenso selten kann, wie in der Stadt. Ueberdies gab es auf einer Bezirksstraße von vier Meilen, die beladene Wagen bequem in drei Stunden zurücklegten, keine Kneipen; so hielten denn auch alle Leute, die von Conches nach Ville-aux-Fayes gingen, am Grand-I-Vert Einkehr, und sei es auch nur, um sich zu erfrischen. Endlich kamen auch der Müller von Les Aigues, welcher dem Bürgermeister beigeordnet war, und seine Burschen dahin. Selbst die Diener des Generals verschmähten die Wirtschaft, der Tonsards Töchter Anziehungskraft verliehen, nicht, so daß das Grand-I-Vert unterirdisch mit dem Schlosse durch seine Leute in Verbindung stand und alles davon erfuhr, was sie wissen konnten. Ein Ding der Unmöglichkeit ist's, durch Wohltat oder durch Interesse das ewige Unter-der-Decke-stecken der Dienerschaft mit dem Volke zu verhindern. Domestiken rekrutieren sich aus dem Volke, sie bleiben mit ihm verbunden. Diese furchtbare Kameradschaft erklärt bereits die absichtliche Verschweigung, die in dem letzten Worte lag, welches Charles, der Lakai, zu Blondet an der Freitreppe gesagt hatte.
IV
Ein anderes Idyll
»Ach, Himmelsapperment! Papa,« rief Tonsard, als er seinen Schwiegervater eintreten sah und annahm, daß er noch nüchtern sei, »heut' morgen haben Sie aber früh das Maul offen! Wir haben nichts, was wir Ihnen geben können ... Und der Strick, der Strick, den wir machen sollten? 's ist wunderbar, wie Sie gestern dran schufteten, und wie wenig Sie heute fertig haben! Schon längst hätten Sie den drehen sollen, der Ihrem Leben ein Ende macht, denn Sie werden uns nun gar zu teuer! ...«
Der Spaß des Bauern und des Arbeiters ist nicht attisch. Er besteht darin, alles, was man denkt, zu sagen, indem man's durch einen grotesken Ausdruck übertreibt. In den Salons geht man nicht anders vor. Die Geistreichigkeit ersetzt dort das Pittoreske der Plumpheit; das ist der ganze Unterschied.
»Nichts da, Papa!« sagte der Alte, »rede geschäftlich mit mir. Ich will eine Flasche vom besten haben!«
Also redend, schlug Fourchon mit einem Hundertsoustück, das wie eine Sonne in seiner Hand glänzte, auf den elenden Tisch, an welchen er sich gesetzt hatte und den sein fettiger Ueberzug ebenso merkwürdig zum Ansehen machte wie seine schwarzen Brandflecke, seine Weinspuren und seine Einkerbungen. Beim Klange des Geldes warf Marie Tonsard, die hergerichtet war wie eine segelfertige Fregatte, einen wilden Blick, der wie ein Funke aus ihren klaren Augen sprang, auf ihren Großvater. Angezogen durch die Musik des Metalls, kam die Tonsard aus ihrem Zimmer heraus.
»Ständig mißhandelst du meinen armen Vater,« sagte sie zu Tonsard; »und doch verdient er seit einem Jahre viel Geld; wolle Gott, daß es auf anständige Weise geschehe! – Was ist das? ...« rief sie, stürzte sich auf das Stück los und entriß es Fourchons Händen.
»Geh, Marie,« sagte Tonsard mit ernstem Tone, »oberhalb der Planke steht noch Flaschenwein!«
Auf dem Lande gibt's nur Wein von einer einzigen Qualität; doch verkauft man ihn als zwei Sorten: Faß- und Flaschenwein.
»Wo habt Ihr denn das her?« fragte die Tonsard ihren Vater, indem sie das Stück in ihre Tasche gleiten ließ.
»Philippine, du wirst mal schlecht endigen,« sagte der Alte und schüttelte den
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