Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
nicht mit Religion verwechseln darf, beginnt beim Wohlstande; wie man in der höheren Sphäre Zartgefühl in der Seele blühen sieht, wenn das Glück das Mobiliar vergoldet hat. Der durchaus rechtschaffene und moralische Mensch ist im Bauernstande eine Ausnahme. Neugierige werden fragen warum. Von allen Gründen, die man für diesen Status der Dinge angeben kann, ist folgender der Hauptsächlichste: Dank der Natur ihrer sozialen Funktionen leben die Bauern ein rein materielles Leben, das dem wilden Zustande nahekommt, zu dem sie ihre ständige Vereinigung mit der Natur einladet. Wenn die Arbeit den Körper bedrückt, nimmt sie dein Gedanken, besonders bei unwissenden Leuten, seine reinigende Wirkung. Kurz, für die Bauern ist, wie Abbé Brossette sagte, ihr Elend ihre Staatsräson.
In alle Interessen verwickelt, hörte Tonsard die Klagen eines jeden an und veranlaßte die Bedürftigen zu nützlichen Betrügereien. Das Weib, anscheinend eine gutmütige Person, unterstützte die Uebeltäter des Landes durch Stichelreden und verweigerte ihnen niemals weder ihren Beifall, noch ihren Praktiken – was sie auch immer gegen den Bourgeois taten – Hilfeleistungen. In dieser Schenke, einem wahren Vipernneste, erhielt sich also, lebhaft und giftig, hitzig und tätig der Haß des Proletariers und des Bauern gegen den Herrn und den Reichen.
Das glückliche Leben der Tonsards gab damals ein sehr übles Beispiel. Jeder fragte sich, warum nicht wie die Tonsards aus den Wäldern von Les Aigues sein Holz für den Backofen, für die Küche und für die Winterheizung holen? Warum dort nicht das Futter für eine Kuh erraffen und wie sie Wildpret zum Essen und zum Verkaufen finden? Warum nicht wie sie bei der Ernte auf dem Felde und im Weinberge ernten, ohne zu säen? So artete der heimliche Raub, der Wälder bestiehlt, der Fluren, Wiesen und Weinberge zehntet, in den Gemeinden von Blangy, Conches und Gerneux, über die sich die Domäne Les Aigues erstreckte, prompt in Recht aus. Aus Gründen, die später am geeigneten Orte gesagt werden sollen, traf diese Plage sehr viel mehr die Besitzung Les Aigues als die Güter Ronquerolles und Soulanges. Glaubt übrigens nur ja nicht, daß Tonsard, sein Weib, seine Kinder und seine alte Mutter sich mit Vorbedacht gesagt hätten: »Wir wollen von Diebstählen leben und sie geschickt anstellen.« Diese Gewohnheiten waren langsam ins Große gegangen. Ins trockene Holz schmuggelte die Familie ein bißchen grünes Holz, dann kühner geworden durch Gewohnheit und eine berechnete Straflosigkeit, die für die Pläne, welche unsere Geschichte enthüllen soll, notwendig war, war sie in zwanzig Jahren dahin gekommen, »ihr« Holz zu holen und fast »ihren« ganzen Lebensunterhalt zu stehlen. Die Weidenutzung der Kühe, der Mißbrauch des Aehrenlesens und der Hallebotage kamen also allmählich auf. Man kann sich denken, daß, als die Familie und die Nichtstuer des Tals einmal die Wohltaten dieser vier von den Armen des Landes erlangten Rechte genossen hatten, die Bauern nur durch eine ihrer Unverschämtheit überlegene Macht gezwungen werden konnten, darauf zu verzichten.
Im Augenblick, wo diese Geschichte anhebt, verbarg der etwa fünfzigjährige Tonsard, ein starker und großer, mehr fetter als magerer Mann mit krausen schwarzen Haaren, von tiefdunkler Gesichtsfarbe, die wie ein Backstein in blaßvioletten Tönen marmoriert war, mit orangegelben Augen, abstehenden, breit besäumten Ohren, von einer muskulösen Konstitution, die aber eingepackt war in ein wabbliges, trügerisches Fleisch, mit einer plattgedrückten Stirn, hängender Unterlippe, seinen wahren Charakter unter einer Stupidität, in die sich die Blitze einer Erfahrung mischten, die um so mehr dem Verstand ähnelte, als er sich in seines Schwiegervaters Gesellschaft eine – um einen Ausdruck aus Vermichels und Fourchons Wörterbuch zu gebrauchen – Frozzelsprache angewöhnt hatte. Seine Nase, die an der Spitze plattgedrückt war, wie wenn der Finger Gottes ihn hätte zeichnen wollen, verlieh ihm eine Stimme, die aus dem Gaumen hervorging, wie bei all jenen Leuten, die eine Krankheit entstellt hat, welche die Nasengänge verengert, durch die die Luft dann nur mühsam austritt.
Seine vorstehenden oberen Zähne ließen jenen nach Lavater schrecklichen Fehler um so mehr hervortreten, als sie weiß waren wie die eines Hundes. Mit der höhnischen Biederkeit des Nichtstuers und dem Sichgehenlassen eines herumzechenden Landmannes hätte dieser Mann
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