Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
seit fünfzehn Jahren den Leuten im Tivoli zum Tanzen aufspielt, ohne das Rezept von Socquards gekochtem Mostwein herausgeschmeckt zu haben, Ihr, der Ihr so klug seid!« sagte die Tochter zum Vater. »Und trotzdem wißt Ihr, daß wir mit dem Rezepte ebenso reich werden würden wie Rigou!«
Im Morvan und in dem Teile Burgunds, welcher sich an seinem Fuße nach der Pariser Seite hin erstreckt, ist dieser gekochte Mostwein, den die Tonsard ihrem Vater unter die Nase rieb, ein ziemlich teures Getränk, das eine große Rolle im Leben der Bauern spielt, und das die Spezereiwarenhändler und Verkäufer von erfrischenden Getränken, da, wo's Cafés gibt, mehr oder minder gut herzustellen wissen. Dies gesegnete Getränk, das aus erlesenem Wein, Zucker, Zimt und anderen Gewürzen zusammengesetzt ist, ist all den geheimnisvollen Zubereitungen und Mischungen des Ratafia genannten Branntweins wie dem »Hundertsiebenjahr«, »Wasser für tapfere Männer«, »Johannisbeerlikör«, »Vespétro«, »Sonnengeist« usw. vorzuziehen. Man stößt bis an die Grenzen Frankreichs und der Schweiz auf gekochten Mostwein. Im Jura, in den entlegenen Ortschaften, die nur tüchtige Touristen betreten, nennen die Wirte, wenn man Handlungsreisenden Glauben schenken darf, dies Industrieprodukt, das übrigens ausgezeichnet ist und das man bei dem Heißhunger, den man sich beim Besteigen der Bergspitzen holt, ja auch recht gern mit drei oder vier Franken die Flasche bezahlt, Syrakusanerwein.
In den morvandischen und burgundischen Haushalten nun ist der leichteste Schmerz, die leiseste Nervenerregung ein Vorwand, um gekochten Mostwein zu trinken. Vor, während und nach der Entbindung fügen die Weiber gebrannten Zucker hinzu. Gekochter Mostwein hat Bauernvermögen verschlungen. Mehr als einmal hat die verführerische Flüssigkeit den Anlaß zu ehelichen Züchtigungen gegeben.
»Ach, das geht nicht,« erwiderte Fourchon, »Socquard schließt sich immer ein, wenn er einen gekochten Wein macht! Er hat sein Todesgeheimnis nicht mal seiner Frau anvertraut. Für die Herstellung bezieht er alles aus Paris!«
»Quäle doch deinen Vater nicht!« rief Tonsard. »Er weiß nichts ... schön, er weiß nichts! Man kann doch nicht alles wissen!«
Fourchon wurde von Unruhe ergriffen, als er seines Schwiegersohns Miene zugleich mit seinen Worten freundlicher werden sah.
»Was willst du mir stehlen?« fragte der Alte naiv. »Ich,« erwiderte Tonsard, »habe nichts wie rechtmäßig Erworbenes in meinem Vermögen, und wenn ich Ihnen etwas nehme, so mache ich mich bezahlt für die Mitgift, die Sie mir versprochen hatten.«
Durch diese Brutalität beruhigt senkte Fourchon, als sei er besiegt und überzeugt, den Kopf.
»Hier ist eine hübsche Schlinge,« fuhr Tonsard fort und näherte sich seinem Schwiegervater und legte ihm die Schlinge auf die Knie; »sie werden Wildbret in Les Aigues benötigen, und wir wollen ihnen ihr eigenes Hab und Gut verkaufen, oder es gibt keinen lieben Gott mehr für uns arme Leute!«
»Eine solide Arbeit,« sagte der Greis, indem er diese schädliche Falle betrachtete.
»Laßt uns Sous auflesen, he, Papa,« sagte die Tonsard, »dann werden wir unseren Teil am Kuchen von Les Aigues haben ...«
»Oh, die Schwätzerinnen!« sagte Tonsard. – »Wenn man mich aufhängt, geschieht's nicht einer Flintenkugel, sondern des Zungenschlags eurer Tochter wegen!«
»Ihr glaubt also, daß Les Aigues eurer erbärmlichen Nase wegen stückweise verkauft wird?« antwortete Fourchon. »Wie, seit dreißig Jahren, seit euch der Vater Rigou das Mark aus euren Knochen saugt, habt ihr noch nicht heraus, daß die Bourgeois schlimmer sein werden als die Edelleute? In der Angelegenheit, meine Kinderchen, werden euch die Soudry, Gaubertin, Rigou nach der Melodie tanzen lassen: ›Ich hab' 'nen guten Tabak und gebe dir den Dreck was ab‹«, die Leibmelodie der reichen Leute; ja! ... Der Bauer wird immer der Bauer sein! Seht ihr denn nicht, (aber ihr habt ja keine Ahnung von Politik) daß die Regierung nur deshalb dem Weine so viele Abgaben aufgebrannt hat, um unseren ›Quibus‹ abzuzwicken und uns im Elend zu erhalten? Der Bourgeois und die Regierung, das ist alles eins. Was würd' aus ihnen, wenn wir alle reich wären? Würden sie ihre Felder bestellen? Würden sie Heu machen? ... Ihnen fehlt's an Unglücklichen. Ich bin zehn Jahre über reich gewesen und weiß genau, was ich vom Bettelpack hielt! ...«
»Trotzdem muß man mit ihnen auf die Jagd gehn,«
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