Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
antwortete Tonsard, »da sie die großen Besitzungen parzellieren wollen, und hernach wollen wir uns gegen die Rigou wenden. Wäre ich an Courte-Cuisses Stelle, den er auffrißt, so würd' ich ihm seine Rechnung mit anderen Kugeln bezahlt haben wie die, welche der arme Schlucker ihm gibt ...«
»Ihr habt recht,« antwortete Fourchon. »Wie sagt Vater Niseron, der trotz aller Welt Republikaner geblieben ist: ›Das Volk hat ein zähes Leben, es stirbt nicht, es hat die Zeit für sich!‹ ...«
Fourchon verfiel in eine Art von Träumerei und Tonsard nutzte das aus, um seine Schlinge wieder an sich zu nehmen. Doch als er sie wieder nahm, schnitt er, während Vater Fourchon sein Glas zum Trinken aufhob, mit einem Scherenschnitt die Hose auf und setzte den Fuß auf das Hundertsousstück, welches auf den immer feuchten Teil des Fußbodens gefallen war, dorthin, wo die Trinker ihre Gläser abtropfen lassen. Obwohl das vorsichtig geschehen war, würde der Alte, wäre nicht Vermichel gekommen, doch den Diebstahl gemerkt haben.
»Tonsard, wißt ihr, wo der Papa ist?« fragte der Sachverständige unten am Treppenabsatz.
Vermichels Ruf, der Diebstahl des Geldstücks und die Leerung des Glases geschahen gleichzeitig.
»Zu Befehl, Herr Leutnant,« rief Vater Fourchon, und streckte Vermichel die Hand entgegen, um ihm behilflich zu sein, die Stufen hinaufzukommen.
Von all den burgundischen Gesichtern würde euch Vermichels am burgundischsten erschienen sein. Der Sachverständige war nicht rot sondern scharlachfarben. Wie an bestimmten tropischen Teilen des Globus, zerbarsten auf seinem Gesichte an mehreren Stellen kleine ausgelöschte Vulkane, die jene flachen und grünen Flechten hervortreten ließen, welche Vater Fourchon recht poetisch »Weinblüten« nannte. Dieser glühende Kopf, dessen Züge durch ständige Trunkenheiten maßlos vergröbert worden waren, erschien zyklopisch. Auf der rechten Seite wurde er von einem lebhaften Augapfel entfacht, ausgelöscht auf der anderen von einem mit einem gelblichen Ueberzuge bedeckten Auge. Seine stets zerzausten roten Haare und ein Bart, der dem des Judas ähnlich war, machten Vermichel dem Aussehen nach so fürchterlich, wie er in Wirklichkeit sanftmütig war. Die aufgeworfene Nase glich einem Fragezeichen, auf das der außergewöhnlich gespaltene Mund, selbst wenn er nicht offen stand, immer zu antworten schien. Vermichel, ein Mann von kleiner Figur, trug eisenbeschlagene Schuhe, eine flaschengrüne Samthose, eine aus verschiedenen Stoffen zusammengeflickte alte Weste, die anscheinend aus einer Steppdecke hergestellt worden war, eine Jacke aus einem derben blauen Stoff und einen grauen Hut mit breiter Krempe. Dieser Luxus, den Vermichel die Stadt Soulanges auferlegte, wo er die Funktionen des Rathauspförtners, Trommlers, Kerkermeisters, Geigenspielers und Sachverständigen versah, wurde von Madame Vermichel, einer schrecklichen Antagonistin der Rabelaisischen Philosophie in Stand erhalten. Dieses Mannweib mit einem einen Meter langen Schnurrbart, die hundertzwanzig Kilo wog und nichtsdestoweniger flink war, hatte die Oberhand über Vermichel gewonnen, der, in seiner Trunkenheit von ihr geprügelt, sie auch noch schalten und walten ließ, wenn er nüchtern war. So sagte denn auch Vater Fourchon, Vermichels Anzug verächtlich prüfend: »Das ist die Livree eines Sklaven!«
»Wenn man von der Sonne spricht, geht sie vor dir auf ganz dicht,« fuhr Fourchon fort, indem er einen Scherz wiederholte, den Vermichels gelbrötliches Gesicht veranlaßt hatte, das tatsächlich jenen goldnen Sonnen glich, die man in der Provinz auf Wirtschaftsschildern gemalt sieht. »Hat Mama Vermichel zuviel Staub auf deinem Buckel entdeckt, daß du dein besseres Vierfünftel fliehst, da man das Weib doch unmöglich deine bessere Hälfte nennen kann. Was führt dich so frühzeitig hierher, geschlagener Trommler?«
»Immer die Politik,« erwiderte Vermichel, der augenscheinlich an solche Spaße gewöhnt war.
»Ach, der Handel in Blangy hat also schlechte Zeiten? Sollen wir Wechsel prolongieren?« sagte Vater Fourchon und schenkte seinem Freunde ein Glas Wein ein.
»Doch unser ›Affe‹ ist mir auf den Hacken,« entgegnete Vermichel, indem er sein Glas hinunterkippte.
Im Arbeiterargot ist der »Affe« der Herr. Diese Benennung stand auch in Fourchons und Vermichels Wörterbuche.
»Was für Unruhe will Monsieur Brunet denn hier stiften?« fragte die Tonsard.
»Ei der tausend,« entgegnete Vermichel,
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