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T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)

T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)

Titel: T Tödliche Spur: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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nach einer Plastikspeisekarte. »Ich habe Sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
    Die magere Frau in den Siebzigern mit einem leichten Buckel betrieb das Café, solange Ava denken konnte.
    »Nehmen Sie Platz, wo Sie möchten. Es ist ja nicht gerade brechend voll.«
    Sie hatte recht. Der kleine Laden war fast leer. Ein großer Mann, der sich in einer Kneipe vermutlich sehr viel wohler gefühlt hätte, saß am Tresen, den Bauch gegen die Resopalplatte gedrückt, die Rosie gerade abgewischt hatte. Neben ihm stocherte ein etwa zehnjähriger Junge in seinen Fritten, neben denen die Reste eines Hamburgers lagen.
    »Wie geht es Ihnen?«, erkundigte sich Rosie.
    »Ganz gut.«
    »Sicher?« Die alte Dame reichte Ava die Speisekarte.
    »Ja, aber fragen Sie besser nicht meine Familie. Die hält mich für komplett verrückt.«
    Rosie kicherte und fing an zu husten, dann räusperte sie sich. »Dafür sind Familien da, wussten Sie das nicht? Sie lieben einen über alles, aber gleichzeitig … Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
    »Ein Glas Wein. Weißwein. Einen Chardonnay, wenn Sie haben.« Zum Teufel mit ihren Medikamenten. Sie würde sie ohnehin nicht nehmen.
    »Kommt sofort. Möchten Sie das letzte Stück Kürbiskuchen? Sagen Sie besser gleich ja, sonst schnappt es ihnen der alte George hier vor der Nase weg.« Sie deutete mit dem Daumen auf den Mann am Tresen.
    Ava überlegte. Sie hatte lange keinen Alkohol mehr getrunken, da war es wohl besser, zuvor eine Grundlage zu schaffen. »Wie wär’s mit etwas Käse und Salzgebäck?«
    »Ich habe nur Cracker da.«
    »Das genügt mir.«
    Rosie nickte. »Die Cracker sind eigentlich für den Fisch- und Austerneintopf, den Clyde heute Morgen gemacht hat. Leider ist er schon aus.«
    Clyde war Rosies Mann. Seit über vierzig Jahren führten sie eine Ehe voller Höhen und Tiefen. Momentan wohnten sie in dem Apartment über dem Café.
    Rosie brachte ihr das Glas an den Tisch. Ava murmelte ein rasches Dankeschön, dann nahm sie einen kleinen Schluck. Der Wein war gar nicht so schlecht. Ava lehnte sich zurück und schaute aus dem großen Fenster über das tiefdunkle Wasser hinweg auf die Lichter von Anchorville, die hell erleuchtete Küste und die vereinzelten Lichter am Hang.
    Natürlich war es unmöglich, bei dieser Entfernung etwas Genaueres zu erkennen, trotzdem starrte sie in die Richtung, in der sich die Hypnosepraxis befand. Cheryls besorgter Gesichtsausdruck kam ihr in den Sinn, dazu die letzten Worte, die sie Ava gegenüber geäußert hatte.
    »Ich denke nur, Sie sollten vorsichtig sein … Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen oder wie wir sie gern hätten. Auf der Insel gibt es viel böses Blut, das wissen wir beide. Und manchmal kann ich nicht anders: Ich mache mir Sorgen um Sie.«
    Und jetzt war Cheryl tot. Ermordet. Nicht sie, Ava, sondern die Hypnotiseurin war in Gefahr gewesen. Seltsam. Ava runzelte die Stirn und dachte an ihre Sitzung am Tag zuvor zurück. Warum war Cheryl so nervös gewesen? Hatte womöglich etwas, das Ava unter Hypnose gesagt hatte, den Grund dafür geliefert?
    Nachdenklich drehte sie den Stiel ihres Weinglases zwischen den Fingern und betrachtete den Chardonnay, der darin kreiste. Die Bewegung der klaren Flüssigkeit erinnerte sie an strudelndes Wasser. Eine Erinnerung durchzuckte sie.
    Der Tag, an dem Kelvin gestorben war, kam ihr schmerzhaft ins Gedächtnis, die grauenvollen Geschehnisse bei dem verhängnisvollen Bootsausflug vermischten sich aus irgendeinem Grund mit Noahs Verschwinden. Manchmal hatte sie das Gefühl, zwischen den beiden Ereignissen bestünde eine Verbindung; ständig versuchte ihr Gehirn, die tragischen Vorfälle miteinander zu verknüpfen, doch sie fand einfach keinen plausiblen Grund dafür. Deshalb gelangte sie immer wieder zu dem Schluss, dass der emotionale Verlust, den sie erlitten hatte – erst der Bruder, dann der Sohn –, das Bindeglied sein musste.
    Als Kelvin noch gelebt hatte, wohnten weniger Leute in Neptune’s Gate, die Familie war zerstritten gewesen. Ava hatte die anderen bereits ausgezahlt, mit Ausnahme von Jewel-Anne hatten alle der Insel den Rücken gekehrt, hatten den Felsbrocken in der Juan-de-Fuca-Straße, die die Vancouver-Insel in Britisch-Kolumbien vom US -Bundesstaat Washington trennte, zum Teufel gewünscht.
    Zum Begräbnis ihres Bruders waren sie zurückgekehrt, und ein paar von ihnen, darunter auch Ian, hatten ihre Hilfe angeboten und waren geblieben.
    »Wir schließen!«,

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