T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
und kuschelig. Die Augen eines Tigers funkelten böse, Noahs Lieblingsspielzeug, ein großer Plüschdinosaurier, fletschte grimmig die Zähne.
Reiß dich zusammen. Das sind doch bloß Spielsachen! Spielsachen, von denen du dich nicht trennen konntest …
»Maaamaaa …«
Das Blut gefror ihr in den Adern, und sie hätte fast die Taschenlampe fallen lassen, als sie das Weinen ihres Sohnes vernahm, das durchs Zimmer hallte.
Kapitel dreißig
M ama, Mama, Mama!«,
schluchzte Noah. Avas Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Woher kam das Weinen?
Woher?
Panisch ließ sie den Strahl der Taschenlampe durchs Kinderzimmer wandern, dann drückte sie auf den Lichtschalter. Schlagartig war es hell im Zimmer.
Noah … mein Kleiner, wo bist du?
»Denk nach«, befahl sie sich selbst. Auf welche Weise gelangte dieses unschuldige Stimmchen ins Arbeitszimmer, hallte durch die Flure, sodass sie es sogar in ihrem Schlafzimmer hörte? Ebenfalls durch die Heizungsrohre? Jewel-Anne, die Noahs Weinen auch vernommen hatte, war deswegen in Wyatts Arbeitszimmer gewesen. Wonach hatte sie gesucht? Einem versteckten Rekorder? Im Heizungsschacht? Oder hatte sie etwas verbergen wollen, und Ava hatte sie dabei gestört? Egal, was die anderen dachten, Ava war überzeugt, dass ihre Cousine hinter alldem steckte.
Ava sah sich im Zimmer um. Alles schien unverändert, doch irgendwoher musste das Weinen ja kommen. Sorgfältig untersuchte sie die Decke, die Wände, den Fußboden, fasste den Heizungsschacht ins Auge, doch sie fand nichts. Zögernd knipste sie das Licht aus und kehrte zurück in den Flur. Wo sollte sie suchen? Das Weinen hatte aufgehört, sodass sie dem Geräusch nicht folgen konnte, doch sie bezweifelte ohnehin, dass sie in dieser Etage oder im Erdgeschoss etwas finden würde. Zu viele Leute verkehrten dort. Blieb also noch der Keller. Bei dem Gedanken, in das düstere, feuchte, spinnwebverhangene Untergeschoss zurückzukehren, lief ihr ein Schauder über den Rücken. Was war mit dem verlassenen zweiten Stock unter dem Dach von Neptune’s Gate?
»Ausgeschlossen«, überlegte sie laut. Der Aufzug fuhr nicht bis dorthin, und von der Treppe her hatte man keinen Zugang; die Tür zum Treppenhaus nach oben war fest verschlossen.
Es sei denn, jemand hätte einen Schlüssel. Oder wäre die Dienstbotentreppe hinter der Speisekammer im Erdgeschoss hinaufgestiegen.
Vermutlich wieder eine Sackgasse, dachte sie, trotzdem huschte sie, immer noch barfuß und im Nachthemd, die Haupttreppe zum Foyer hinunter und Richtung Küche. Heute Nacht, beschloss Ava, würde sie in den zweiten Stock hinaufsteigen anstatt wieder durch den düsteren Keller zu schleichen.
Sie schlüpfte in die Speisekammer und näherte sich der rückwärtigen Tür, die zu der alten Dienstbotentreppe führte. Der Knauf ließ sich leicht drehen, als sei er erst vor kurzem geölt worden. Eigenartig, die Treppe wurde doch nur selten benutzt, hauptsächlich von Virginia, Khloe oder Graciela, die schnell aus dem Küchenbereich in den ersten Stock hinaufgelangen wollten, wenn sie Ava oder Jewel-Anne das Essen aufs Zimmer brachten oder die Räume sauber machten. Auf dem Dachboden war seit einer Ewigkeit niemand mehr gewesen; nach dem Tod der Großmutter hatten Avas Eltern einen Großteil des Personals entlassen, und auch Avas Angestellte bewohnten andere Quartiere.
Sie drückte auf den Lichtschalter. Schlagartig wurde es hell im Treppenhaus. Ava ließ die Tür zur Speisekammer ein Stück offen stehen und stieg die Stufen der Wendeltreppe hinauf. Vor der Tür zum ersten Stock verharrte sie, presste ihr Ohr gegen das Türblatt und lauschte. Oben war alles ruhig. Vorsichtig drehte sie den Knauf. Verschlossen. Seit Noah auf der Welt war, hatte sie darauf bestanden, dass hier oben abgesperrt war, damit er nicht unbeobachtet das Treppenhaus erkundete und womöglich auf der engen Treppe stürzte. Unten neben der Speisekammertür hing ein Schlüssel für die Angestellten, unerreichbar für Kinderhände.
Ava wandte sich wieder den Stufen zu und kletterte weiter hinauf. Ihr fiel auf, dass eine ungleichmäßige Staubschicht auf dem alten Holz lag, als sei vor nicht allzu langer Zeit jemand hier hinaufgestiegen.
Seltsam.
Sehr seltsam.
Oben war eine der Birnen durchgebrannt, die Treppe nur schwach erleuchtet. Ava knipste die mitgebrachte Taschenlampe an.
Nach etwa der Hälfte der Stufen blieb sie stehen, starrte auf die enge Wendeltreppe und fragte sich, ob jemand die ehemaligen
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