T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
Dienstbotenquartiere benutzte. Genau das würde sie gleich herausfinden. So lautlos sie konnte, schlich sie die restlichen Stufen hinauf. Das Licht ihrer Taschenlampe fiel auf Spinnweben und Mäusekot.
Eine letzte Biegung, dann stand sie auf dem zweiten Treppenabsatz vor einer weiteren Tür.
Sie drehte den Knauf. Verschlossen. Natürlich.
Na großartig. Und was nun?
Sie versuchte es noch einmal, drehte mit aller Kraft, doch der Knauf bewegte sich nicht. Die Angeln befanden sich an der Innenseite, die Tür auszuhebeln war demnach unmöglich. Dennoch, es musste einen Weg geben.
Als sie ein Kind gewesen war, hatte ihre Großmutter zahlreiche Dienstboten beschäftigt; nicht nur eine Gouvernante, sondern auch zwei Hausmädchen hatten hier oben gewohnt. Die Tür, so erinnerte sie jetzt, war nie verschlossenen gewesen, denn der einzige andere Zugang war über die Feuerleiter auf der Rückseite des Hauses. Ava blickte auf die Wendeltreppe, die sich an dieser Stelle noch einmal verjüngte. Wie ein Schneckenhaus schraubte sie sich zum Dach empor. Vorsichtig stieg sie weiter hinauf, Stufe für Stufe. Hier war die Staubschicht nicht aufgewirbelt worden, bedeckte gleichmäßig das alte Holz. Die Treppe endete vor einer weiteren Tür, die aufs Dach und den Witwensteg hinausging, den seit Jahren niemand mehr betreten hatte.
Natürlich war auch diese Tür verschlossen.
Ava drückte mit der Schulter kräftig dagegen, doch sie gab nicht nach.
Derart mattgesetzt, ließ sie den Strahl ihrer Taschenlampe über den Türrahmen gleiten, in der Hoffnung, darauf einen Schlüssel zu entdecken. Doch so viel Glück hatte sie nicht. Jetzt aufzugeben kam nicht infrage. Irgendwie musste man schließlich aufs Dach gelangen, und sei es auch nur wegen Reparaturarbeiten. Ganz sicher gab es einen Schlüssel, fragte sich nur, wer ihn verwahrte. Dasselbe galt für die Tür zum zweiten Stock. Bei einem Wasserrohrbruch oder bei Schädlingsbefall – was auch immer – musste der Zugang gewährleistet sein. Früher hatte sie ein Schlüsselbund besessen, an dem Schlüssel für jedes Zimmer im Haus hingen, für jeden Flur, selbst für die Außengebäude, doch sie hatte es seit ihrer Rückkehr aus St. Brendan nicht mehr gesehen. Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Sie hatte den Wagen benutzen wollen, und als sie ihren Schlüsselbund nicht fand, hatte Wyatt ihr seinen gegeben.
Sie hatte ihn gefragt, ob er wisse, wo ihr Bund sein könnte, und er hatte lächelnd geantwortet:
»Natürlich weiß ich das, aber du bekommst deine Schlüssel erst wieder, wenn es dir bessergeht. Oder hast du vergessen, dass Sheriff Biggs dir vorübergehend den Führerschein abgenommen hat?«
Zu jener Zeit war sie derart angeschlagen gewesen, dass sie nicht näher darauf eingegangen war, aber nun hatte sich die Situation geändert.
Da sich Ava sicher war, hier oben auf der Treppe keinen versteckten Schlüssel zu finden, stieg sie die Stufen wieder hinunter und kehrte in Wyatts Arbeitszimmer zurück, wo sie mit ihrer Suche beginnen wollte. Mehrere seiner Schreibtischschubladen waren verschlossen, also nahm sie sich zunächst die offenen vor, doch sie fand nichts von Interesse, nichts, womit sie die restlichen aufbrechen konnte, nicht einmal einen Brieföffner.
Der Gedanke, dass man sie bei ihrer Schnüffelei erwischen konnte, machte sie nervös. Obwohl sie nur ihr dünnes Nachthemd trug, fing sie an zu schwitzen. Wie lange war es her, dass er zum Festland übergesetzt hatte? Würde er noch heute Nacht nach Hause zurückkehren? Wo steckte der verfluchte Schlüssel? Gab es in Neptune’s Gate noch andere Schlüssel?
Denk nach, Ava, denk nach! Das ist dein Haus. Du hast hier den Großteil deines Lebens verbracht. Du kennst die Geheimnisse von Neptune’s Gate. Es kann nicht nur ein Schlüsselbund geben. Was, wenn einer der Schlüssel verlorengeht? Irgendwer muss doch Zugang zu sämtlichen Etagen haben, zum Dach …
Die Schlüssel im hinteren Flur!
Hatte sie sie nicht neulich erst gesehen?
Wieder huschte sie durchs Foyer Richtung Speisekammer und öffnete einen schmalen Wandschrank im Flur. Der Strahl ihrer Taschenlampe glitt über verschiedene Werkzeuge, alte Einmachgläser, dann blieb er – dem Himmel sei Dank! – an einer Reihe von Schlüsselringen hängen. Sie waren mit kleinen Schildchen versehen: fürs Bootshaus, für die Schuppen, für den Stall und die Scheunen, fürs Haus. Sie nahm den entsprechenden Ring an sich und wollte den Wandschrank gerade wieder
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