T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
ins Haus getragen hatte. Er war überglücklich über die prächtigen Kürbisse im Garten gewesen und hatte immer wieder auf ein Eichhörnchen gedeutet, das laut keckernd auf einem der oberen Äste einer Kiefer saß. Er liebte Tiere, und er liebte es, draußen zu spielen.
»… ich werde es heute nicht schaffen, pünktlich zum Abendessen zu Hause zu sein«, hatte Wyatt gesagt, während sie Noah auf dem Fußboden abgesetzt und vergeblich versucht hatte, den Mantel ihres Sohnes zu öffnen, bevor er ihr entwischte und durchs Foyer flitzte. »Das macht nichts«, hatte sie erwidert. »Noah und ich machen uns eine Kleinigkeit zu essen, dann stecke ich ihn ins Bett. Er ist ziemlich müde, aber ich werde auf dich warten.«
»Mach dir keine Umstände, es wird spät werden. Vielleicht komme ich auch erst morgen früh und übernachte hier.«
»Im Büro?«
»Ja, ich kann auf der Couch schlafen. Es gibt hier eine Dusche, und einen zweiten Anzug habe ich auch dabei.«
»Aber –«
»Drück Noah von mir.« Damit legte er auf. In jenem Moment traf sie die Wahrheit mit voller Wucht: Wyatt log. Er war bei einer anderen Frau. Wie betäubt hatte sie auf das Telefon in ihrer Hand gestarrt und zwei und zwei zusammengezählt. All die Male, die er angerufen hatte, um eine Verabredung zu verschieben oder ihr mitzuteilen, dass er später kommen würde, weil er noch arbeiten müsse …
»Mommy! Fang mich!«
Sie blickte auf und sah ihren Sohn auf dem Treppenabsatz stehen. Ihr Herz fing an zu galoppieren. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, er würde hinunterspringen, doch stattdessen kletterte er weiter treppauf in der Hoffnung, sie würde ihm hinterherjagen.
Ava schob die Gedanken an Wyatt und die unbekannte Frau beiseite und rannte Noah hinterher. Als sie ihn schnappte, juchzte er vor Freude. Es gelang ihr, die nächsten Stunden durchzustehen. Sie aß allein mit Noah zu Abend, der in seinem Hochstuhl neben ihr saß. Virginia schien ihr mitleidige Blicke zuzuwerfen, doch das war vermutlich ihrer überbordenden Fantasie zuzuschreiben. Niemand wusste von Wyatts Affäre, Gott sei Dank, schließlich war sie selbst gerade erst dahintergekommen.
Dennoch …
Die Zeit schien nur halb so schnell zu vergehen wie sonst, während sie Noah badete, ihm eine Geschichte vorlas und ihn ins Bett brachte. Anschließend zog sie sich in das Schlafzimmer zurück, das sie mit ihrem Mann teilte, und starrte auf die Digitaluhr, sah zu, wie langsam die Minuten verstrichen.
Jene Nacht war die längste ihres Lebens gewesen. Ihre Gedanken rasten. Fragen schossen ihr durch den Kopf, die Ungewissheit quälte sie, während sie sich ihren Mann mit einer anderen Frau im Bett vorstellte. Hatten sie wilden Sex miteinander? Flüsterte er ihr liebevolle Worte zu oder machte er sich gar über sein vertrauensseliges Frauchen lustig? Sie meinte, verrückt zu werden, doch nachdem sie für ein paar Stunden eingedämmert war, wachte sie zwar wie gerädert auf, war jedoch fest entschlossen, nicht das leidende Opfer zu spielen.
Zunächst hatte er geleugnet, was für sie nicht überraschend war.
Dann, mehrere Wochen später, während eines Riesenstreits im Wohnzimmer, hatte er kapitulierend die Hände in die Luft geworfen und endlich aufgehört, ihr weitere Lügen und Ausreden aufzutischen.
Zornig und nicht im Mindesten schuldbewusst, hatte Wyatt zugegeben, sich »ein wenig in eine andere Frau verliebt« zu haben. Es aus seinem eigenen Mund zu vernehmen, war wie ein Schlag in die Magengrube gewesen, und Ava hatte feststellen müssen, dass sie tief im Innern gehofft hatte, sie hätte sich getäuscht.
»Schon gut, schon gut, ich hatte was mit einer Kollegin«, hatte er erklärt. »Nun weißt du’s. Bist du jetzt glücklich?«
»Natürlich bin ich nicht glücklich«, hatte sie, den Tränen nahe, geantwortet und trotzig das Kinn vorgereckt. Sie wollte nicht zusammenbrechen, nicht eine einzige weitere Träne vergießen wegen einer Ehe, die scheinbar schon lange keine mehr gewesen war. »Wie heißt sie?«
»Das ist nicht von Bedeutung.«
»Und ob es das ist!« Es machte sie wütend, dass er diese andere Frau schützen wollte, diese Fremde, die es gewagt hatte, sich in ihre Ehe zu drängen.
»Sie ist längst weg, verstehst du? Konnte mit der Schuld nicht leben. Auch ihre Ehe ist daran zerbrochen, also hat sie die Firma verlassen und eine Stelle weit entfernt von hier angenommen.« Frustriert ballte er eine Hand zur Faust, und Ava fragte sich, ob er sie gegen sie
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