T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
würde, doch sie verwarf sie.
»Frisch gewagt ist halb gewonnen«, sagte sie laut. In dem Augenblick hörte sie, wie jemand an ihre Tür klopfte.
»Ja, bitte?«, sagte sie und rechnete damit, dass Wyatt seinen Kopf zur Tür hereinstecken würde.
Doch statt der Stimme ihres Mannes ertönte die von Khloe. »He, Ava, alles in Ordnung?«
Sie klang besorgt, doch Ava war sich nicht sicher, was sie von ihrer Freundschaft halten sollte.
»Augenblick!«, rief sie, klappte ihr Laptop zu, kletterte vom Bett und verstaute die Einkaufstaschen von Nordstrom im obersten Fach ihres Kleiderschranks. Es gab keinen Grund, Fragen heraufzubeschwören, schon gar nicht von Khloe.
Als sie damit fertig war, öffnete sie die Tür und sagte: »Es geht mir gut.«
»Jewel-Anne hat mir erzählt, was passiert ist. Ich bin in die Küche gegangen, um meine Lesebrille zu holen, und da war sie. Sie sah aus, als habe sie ein Gespenst gesehen. Ich hab den Fehler gemacht, sie zu fragen, was los sei.« Khloe, die Lesebrille noch in der Hand, zögerte, dann fügte sie hinzu: »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Ava. Wusste ich von Noahs Adoption? Ja. Hätte ich ein Thema anschneiden sollen, das du offenbar vollständig verdrängt hattest? Ja, ganz bestimmt. Aber … du warst so … labil. So misstrauisch. So … nun, daneben. Ich hatte Angst, du würdest einen Rückfall erleiden.«
»Dann hattest du also nicht vor, mir jemals die Wahrheit zu sagen?«
»Wir wollten alle, dass du es weißt. Wir wussten nur nicht, wann wir es dir beibringen sollten.« Sie seufzte und blickte die Galerie entlang. »Mom und ich haben oft darüber geredet, doch wir wollten sicher sein, dass du mit den Neuigkeiten umgehen kannst und nicht wieder ausflippst … und … nun, du weißt schon, dir im schlimmsten Fall wieder etwas antust.«
Wieder.
Beschämt zog Ava die Ärmel ihres Pyjamas über die Narben.
Eine Sorgenfalte erschien zwischen Khloes Brauen, als sie Avas Blick begegnete. Sie zuckte die Achseln, plötzlich verlegen. »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut. Alles.«
»Mir auch«, stimmte Ava zu und spürte, wie sich ein Kloß in ihrer Kehle bildete. Warum war sie immer gleich den Tränen nahe, sobald jemand nett zu ihr war?
»Ich, ähm, ich war nach Kelvins Tod gemein zu dir«, wisperte Khloe und blickte zu Boden. »Ich habe dir die Schuld daran gegeben.«
»Das haben alle getan.«
»Ich weiß, aber es war nicht deine Schuld«, fuhr sie mit belegter Stimme fort. Sie räusperte sich, dann fügte sie hinzu: »Ich kann natürlich nicht für die anderen sprechen, aber was mich anbelangt, ich war so sehr darauf bedacht, irgendwem die Verantwortung zuzuschieben, dass mir gar nicht bewusst war, wie sehr auch du unter dem Verlust deines Bruders leiden musstest.«
»Warum hat niemand bemerkt, dass ich nicht länger schwanger war?«
»Du hattest nur wenig zugenommen, und wir bekamen dich nur selten zu Gesicht. Auch ich. Es gab Monate, da waren wir so gut wie nie –« Sie zuckte die Achseln und verstummte. Nach einer Weile fuhr sie fort: »Ich habe nie richtig nachgerechnet. Ich will ehrlich sein – es hat mich auch nicht sonderlich interessiert. Ich war viel zu sehr mit meiner eigenen Trauer um Kelvin beschäftigt. Trotzdem sollst du wissen, dass es mir leidtut. Wäre dein Bruder nicht gestorben, so wäre ich wohl nie der Liebe meines Lebens begegnet, auch wenn ich bei Gott wünschte, er wäre noch am Leben.« Ihr Gesicht hellte sich ein wenig auf. Ava ließ es dabei bewenden. Die Ehe von Khloe und Simon war nicht gerade stabil, aber jeder hier auf der Insel, so hatte es den Anschein, lebte in seiner eigenen Traumwelt.
»Willst du runterkommen, damit wir unseren Kummer unter Bergen von Schokoladenkuchen begraben können? Mom hat einen dreistöckigen für Simons Geburtstag gebacken.« Sie zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Ava musste daran denken, wie Khloe als Kind gewesen war, die Älteste von sechs Geschwistern, das Mädchen, das vor Jahren vor keiner Mutprobe zurückgeschreckt war, stets zu allem bereit, Avas beste Freundin.
Doch das war vor Kelvins Tod gewesen.
»Mit Karamellglasur«, versuchte sie Ava zu locken.
Ava schaute Richtung Treppe. »Ich habe ein riesiges Abendessen hinter mir.«
»Und einen riesigen Streit«, ergänzte Khloe.
»Ja.«
»Ich dachte, du wolltest vielleicht reden.«
»Im Augenblick nicht, aber dein Angebot mit dem Kuchen nehme ich gern an.«
Khloe grinste. »Gut.«
Zusammen gingen sie die Treppen
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