T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
einordnen konnte. Es kam aus dem Schlafzimmer. Sie spitzte die Ohren, doch das Geräusch, wenn sie denn tatsächlich etwas gehört hatte, wiederholte sich nicht.
Das bildest du dir bloß ein.
Nun mach dir mal keine Sorgen.
Ja, sie war ein bisschen nervös, und das nicht nur wegen der Unterstellungen von Ava Garrison Church. Nein, um ehrlich zu sein, war es der Mord, der ihr Angst machte; soweit Evelyn wusste, war so etwas in Anchorville noch nie vorgekommen – abgesehen von den Morden, die Lester Reece verübt hatte.
Doch daran wollte sie gar nicht erst denken. Reece war ein sadistischer Killer. Von ihren Sitzungen mit ihm in Sea Cliff wusste sie, dass er mit seinem Charme selbst die gottergebenste Nonne verführen konnte. Der Mann hatte etwas … etwas Dunkles, Gefährliches, Tödliches – eine Kombination, der auch sie nur schwer hatte widerstehen können.
Allein in ihrer Küche, dachte sie an die Männer, die Teil ihres Lebens gewesen waren, an die Fehler, die sie gemacht hatte, und spürte, wie ihr die Röte den Nacken emporkroch.
Konnte sie sich so kolossal täuschen, was Wyatt anbetraf? Hatte sie die Signale missverstanden? Waren seine Berührungen, seine Hand auf ihrem Arm, auf ihrem Rücken, tatsächlich bedeutungslos gewesen?
Bestimmt nicht.
Wie oft hatte er bei ihr zu Hause oder in ihrem Büro vorbeigeschaut, weil er sich um seine Frau Sorgen machte! Sie hatte das für einen Vorwand gehalten, sie wiederzusehen – doch am Ende stimmte das gar nicht.
»Dummkopf«, murmelte sie und schnitt sich ein kleines Stück Käse ab.
Seit wann spielte ihr weiblicher Radar derart verrückt?
Ach komm, dein Radar hat immer schon verrückt gespielt, denk nur an Chad Stanton auf der Highschool. Du hast mit ihm Schluss gemacht, als du herausfandest, dass er etwas mit deiner besten Freundin hatte. Auf dem College ist es auch nicht besser gelaufen, ein Typ nach dem anderen, aber keiner davon die Liebe deines Lebens. Schon gar nicht Trent Church – obwohl du ganz schön in ihn verknallt warst.
Sie zuckte zusammen, als sie daran dachte, wie sie sich betrunken und ihm förmlich an den Hals geworfen hatte. Sie waren im Bett gelandet, und er hatte sich mitten in der Nacht davongestohlen. Sie war mit Kopfschmerzen und einer Blume neben dem Bett aufgewacht, einer Rose, die er von einem Strauch in der Nähe ihrer Haustür gepflückt hatte. Eine Nachricht hatte er nicht hinterlassen, und er hatte sie an den folgenden Tagen auch nicht angerufen.
Als sie sich das nächste Mal begegnet waren, war er so freundlich gewesen wie immer, als wäre
nichts
passiert, und als sie ihn gedrängt hatte, mit ihr zu reden, hatte er gesagt: »Das war doch keine große Sache, oder? Wir hatten unseren Spaß, und das war’s.«
Am liebsten wäre sie damals im Erdboden versunken. Irgendwie war es ihnen gelungen, Freunde zu bleiben, und sie hatte mit ihm zusammen jene verhängnisvolle Weihnachtsfeier besucht, auf der Noah Garrison, der Sohn von Ava und Wyatt, verschwunden war, doch Trent und Evelyn waren nicht wieder im Bett gelandet – und schon gar nicht in einer Beziehung.
An der Graduiertenfakultät war es auch nicht besser. Denk nur an den Professor, keine sechs Jahre älter als du. Und was war mit Sea Cliff? O Gott …
Sie schloss gequält die Augen. Wollte nicht daran denken, wie sehr sie sich zu einem der Patienten, einem besonders gefährlichen, verurteilten Mörder, hingezogen gefühlt hatte. Trotzdem konnte sie es nicht leugnen und zog eine Grimasse: Immer hatte sie sich von den falschen Männern angezogen gefühlt, von Männern, die sie entweder nicht wollten, unerreichbar oder vergeben waren oder aber gefährlich – und das aus vielerlei Gründen. Wenn es um Liebe und Sex ging, war ihr Leben ein einziges Chaos.
Sie konnte froh sein, dass sie gefeuert worden war, bevor sie eine schreckliche Dummheit beging! Zumal sie kurz davor gestanden hatte –
Autsch!
Ihre Zeigefingerspitze brannte, weil sie sich mit dem Käsemesser geschnitten hatte.
»Wie blöd bist du denn?«, murmelte sie, saugte an dem schmerzenden Finger und ging hinüber ins Schlafzimmer. Sie drückte auf den Lichtschalter, und das Lämpchen auf ihrem Nachttisch fing an zu leuchten. Die Temperatur in diesem Raum schien auf unter fünfzehn Grad gesunken zu sein, doch das kümmerte sie im Augenblick nur wenig. Sie marschierte schnurstracks ins Bad, wo sie ihre Erste-Hilfe-Utensilien aufbewahrte. Bestimmt würde sie in ihrem Medizinschrank eine antiseptische
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