T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
Speisekammer, ich könnte mal nachsehen, ob Eiswürfel da sind.«
»Nein.« Avas kalter Tonfall ließ Khloe stutzen. Bemüht, ihren Zorn zu zügeln, fügte Ava hinzu: »Ich möchte einfach nur wie ein ganz normaler Mensch behandelt werden. Ist das machbar?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Evelyn ruhig.
»Du bist nie ›ganz normal‹ gewesen, Ava«, sagte Khloe im selben Augenblick.
Ava fiel das Kinn herunter, doch dann bemerkte sie den Anflug eines Grinsens auf Khloes Lippen. Für eine Sekunde sah sie ihre alte Freundin so wie vor Jahren, als ihre Hauptsorge gewesen war, sich angemessen für den Abschlussball zu verabreden und Anchorville so schnell wie möglich hinter sich zu lassen.
Khloe nahm das Tablett.
»Ich möchte nicht, dass die Leute auf Zehenspitzen um mich herumschleichen oder unangekündigt mein Zimmer betreten; ich will auch nicht zum Frühstücken genötigt werden, obwohl ich gar keinen Hunger habe«, erklärte Ava in der Hoffnung, Khloe würde sie verstehen. »Ich möchte ausschlafen, wenn mir danach ist, und ich will nicht, dass sich irgendwer darum sorgt, ob ich meinen Orangensaft getrunken oder meine Tabletten genommen habe. Ich möchte verdammt noch mal in Ruhe gelassen werden!«
»Ava«, sagte die Psychiaterin vorwurfsvoll.
»Nein, das ist schon in Ordnung.« Khloe betrachtete Ava, als habe sie sie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. »Ich verstehe dich.«
»Gut«, stellte Ava erleichtert fest.
Khloe nickte, dann schluckte sie und verließ rasch das Zimmer, als habe sie plötzlich bemerkt, wie persönlich sie geworden waren, wie nahe sie ihrer alten Freundin gekommen war.
Dr. McPherson hielt noch immer ihre Teetasse in der Hand, als Ava sich umdrehte und ebenfalls aus dem Raum stolzierte. Auf dem Weg zur Treppe sah sie Khloe in der Küche verschwinden. Ihre ehemals beste Freundin … Natürlich hatte es auch Streitigkeiten zwischen ihnen gegeben, vor allem, als Khloe behauptete, Ava habe ihr Mel LeFever ausgespannt. Aber sie hatte ihrer Freundin vergeben, und dann hatte sich ohnehin alles verändert, als Khloe und Kelvin zusammengekommen waren. Khloe hatte sich Hals über Kopf in Avas großen Bruder verliebt, und Mel LeFever war vergessen.
Khloe und Kelvin. »Doppel-K« hatten sie sich genannt. Kurz vor dem tödlichen Segelunfall hatte sich Khloe von Kelvin einen Verlobungsring anstecken lassen. Ava hatte sich für die beiden gefreut, doch dann hatte das Schicksal zugeschlagen, Kelvin war verunglückt, Ava hatte Noah geboren.
Seitdem war die Welt verändert.
Direkt nach Kelvins Beerdigung hatte Khloe Anchorville für mehrere Monate verlassen, und als sie zurückkehrte, engagierte Wyatt sie als Noahs Kindermädchen. Zu der Zeit war Ava nicht sicher gewesen, ob sie überhaupt ein Kindermädchen brauchte, zumal ihre Beziehung zu Khloe ziemlich angespannt war. Kelvin war tot, und Khloe schien sich emotional mehr und mehr von Ava zurückzuziehen, was mit ziemlicher Sicherheit auf Jewel-Annes hasserfüllte Tiraden, der Unfall sei Avas Schuld, zurückzuführen war. Ihre Freundschaft war einfach nicht mehr dieselbe. Doch Avas Beschwerden über Khloe stießen bei Wyatt auf taube Ohren.
»Es wird ihr guttun zu wissen, dass sie immer noch Teil der Familie ist«, hatte er behauptet. Sie hatten in seinem Wagen gesessen und auf die Fähre gewartet: er hinter dem Steuer, einen Rhythmus trommelnd, den er gerade im Kopf hatte; sie auf dem Beifahrersitz, durch die Windschutzscheibe auf die Bucht blickend. Die Sonne hatte an jenem Tag geschienen, ihre hellen Strahlen funkelten auf dem Wasser, das gesprenkelt war von Fischer- und Freizeitbooten. Eine laue Brise wehte durch die heruntergekurbelten Seitenfenster und kühlte den aufgeheizten Innenraum, die salzige Luft vermischte sich mit dem Geruch nach neuem Wagen.
Noah, der hinten in seinem Kindersitz angeschnallt gewesen war, hatte fröhlich gekräht, und Ava drehte sich um und streichelte seine weiche Wange. »Hallo, mein Großer«, flüsterte sie und fühlte sich dabei so glücklich wie nie zuvor.
»Ein bisschen Unterstützung würde dir guttun.«
»Ich dachte, das sei die Aufgabe des Vaters.«
»Aber dieser Vater –« Wyatt versetzte ihr einen liebevollen Nasenstupser – »ist viel unterwegs. Und das wird noch eine ganze Weile so gehen, bis ich meine Partner davon überzeugen kann, dass ich am besten von Anchorville aus arbeite.«
»Dann tu das. Du bist Anwalt, da solltest du in der Lage sein, schlagende Argumente
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