T Tödliche Spur: Thriller (German Edition)
ihrer Cousine und deren Pflegerin einzunehmen, ohne sich aufzuregen. Sie war selbst dann nicht in die Luft gegangen, als Ian wieder einmal lamentiert hatte, wie glücklich sie sich schätzen könne, den Großteil der Insel zu besitzen, obwohl sie ihm seinen Anteil vor langer Zeit für viel Geld abgekauft hatte. Zwar verpackte er seine Bemerkungen stets als Neckerei, doch sie wusste, dass er insgeheim davon überzeugt war, über den Tisch gezogen worden zu sein.
Heute Abend hatte sie ihn einfach links liegen gelassen.
»Sind die für Khloe und Simon?«, fragte Ava jetzt und deutete auf die Teller.
»Hmhm. Und für den Neuen … Dern.« Virginia schlurfte in die Speisekammer und ließ die Augen suchend über die Regale gleiten, dann kehrte sie mit drei Dosen Limo in die Küche zurück. »Ich dachte, er freut sich vielleicht darüber.« Sie öffnete die Kühlschranktür und stellte die Cola light hinein. »Er ist Junggeselle«, teilte sie Ava mit, als würde das alles erklären. »Junggesellen kochen sich nie etwas.«
»Ich trag’s zu ihm rüber«, bot Ava an, und als Virginia dankend ablehnen wollte, fügte sie hinzu: »Als Wiedergutmachung. Er hat vorhin mein Handy gefunden und es mir gebracht.«
Virginia zuckte die Achseln. »Mir soll’s recht sein.«
Ava ging ins Foyer, um sich eine Jacke überzuziehen, dann kehrte sie in die Küche zurück, nahm den Teller und machte sich auf den Weg zu Derns Apartment. Sie hatte ohnehin vorgehabt, ihn unter einem Vorwand aufzusuchen, um sich noch einmal mit ihm unterhalten und mehr über ihn in Erfahrung bringen zu können. Während sie mit großen Schritten den Weg zum Pferdestall entlangeilte, versuchte sie sich einzureden, dass sie das nur tat, weil er ihr Angestellter war und weil sie vermutete, dass mehr hinter seinem plötzlichen Auftauchen steckte. Mit seiner Attraktivität hatte das nichts zu tun, weiß Gott nicht, außerdem war sie verheiratet … wenn auch nicht gerade glücklich.
Heute Abend herrschte dichter Nebel, der das Rauschen des Meeres dämpfte; die Außenbeleuchtung warf wässrige Lichtpfützen auf die Gartenwege. Als sie sich den Stallungen näherte, vermischte sich der warme Geruch der Pferde mit der salzigen Luft. Hinter dem Fenster von Derns Apartment über dem Stall brannte Licht.
Die alten Stufen knarrten unter ihren Stiefeln, und sie hörte, wie Rover ein scharfes Bellen von sich gab. Noch bevor sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatte, öffnete sich die Tür, und Dern schaute heraus, eine schwarze Silhouette vor der hellen Innenbeleuchtung.
Als Rover Ava erblickte, spielte er schier verrückt, bellte und drehte sich hinter Dern im Kreis.
»Apartment mit integrierter Alarmanlage«, scherzte sie und reichte ihrem neuen Angestellten den Teller. »Mit besten Grüßen von Virginia. Sie kocht stets ganze Berge von Köstlichkeiten, die wir nicht bewältigen können.«
»Tatsächlich?«
»Das ist ein Vorteil, wenn man in Neptune’s Gate arbeitet: Virginia sorgt dafür, dass niemand verhungert.«
Der Schäferhundmischling winselte und machte Platz, sein Schwanz wedelte über die alten Eichendielen.
»Sieht so aus, als hätte man Sie schwer vermisst«, bemerkte Dern und trat zur Seite. Sofort schoss Rover mit einem begeisterten Jaulen an ihm vorbei. Ava beugte sich vor und streichelte ihn.
»Ist ja gut, du Verräter.« Lächelnd kraulte sie den Hund hinter den Ohren. »In der Not frisst der Teufel Fliegen.« Sie schaute hoch. »Rover war ein Streuner. Er ist uns zugelaufen, und Ned, der vorherige Rancharbeiter, hat ihn aufgenommen, daher gehört er sozusagen zum Inventar. Virginia stellt ihm auf der hinteren Veranda des Haupthauses etwas zu fressen hin, und es gibt sogar eine Hundeklappe neben der Hintertür. Ich habe ihm einen Korb gekauft und unter die Hintertreppe gestellt, doch er ist lieber hier oder im Stall. Oft treibt er sich auch draußen herum, stimmt’s, mein Junge?«, sagte sie an den Hund gewandt, dessen Schwanz nun noch eifriger wedelte. »Ja, das dachte ich mir.«
»Er scheint Sie zu mögen.«
Sie lachte. »Er vertraut mir sogar – vermutlich als Einziger auf dieser Insel.«
Dern zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Ich weiß, ich weiß, offenbar leide ich unter Verfolgungswahn.« Sie richtete sich wieder auf. Rover drückte sich an ihr vorbei und tappte die Außentreppe hinunter.
»Verfolgungswahn?«
»Oder so etwas Ähnliches. Die Diagnose wechselt wöchentlich, aber das wissen Sie vermutlich.« Sie sah zu dem Hund
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