T93 Band 1: Überlebe!
Hildebrandt. Ich bringe Frau Radler zum Termin.«
Frau Hildebrandt war eine typische Sekretärin. Wahrscheinlich Ende vierzig, gedrungen, Krautstampferwaden in Manolo-Imitaten, Kombination, Bluse, wuselige, lange Haare im Dutt, billige Schminke, Parfum aus dem Drogerie-Discounter. Fester, abschätziger Blick über den Rand einer ›Nix-dazu-bezahlt‹ Brille und Postkarten an der Wand hinter ihrem Schreibtisch.
»Ah ja«, tat sie, als wäre ihr das eben selbst eingefallen, »die junge Dame zur Erstuntersuchung. Kommen Sie mit, der Professor erwartet Sie bereits. Sie können dann draußen warten, Nielsen.«
Die Art, wie sie dieses letzte Sie betonte, ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie von dem Soldaten oder Militär allgemein wohl nicht viel zu halten schien. Der Fähnrich verließ das Büro, und Frau Hildebrandt winkte Birte mit sich in Richtung einer Milchglastür, die sie mit ihrem Schreibtisch offensichtlich gleich einem Zerberus bewachte. Sie klopfte einmal kurz an, öffnete die Türe einen Spalt und schob den Kopf hindurch.
»Herr Professor, Frau Radler ist da. Soll ich den Anamnesebogen fertig machen?«
»Nein danke, erst einmal nicht«, kam von der anderen Seite der Tür, »schicken Sie die junge Dame einfach herein bitte.«
Frau Hildebrandt nickte Birte zu, und sie ging durch die Tür ins Büro des Professors. Na ja, Büro traf es wohl nicht richtig, es war eine Mischung aus Bibliothek, Arztzimmer, Labor und pathologischer Exponatensammlung. Auf der rechten Seite des Raumes stand ein Regal voller verschieden großer Gläser, in denen Gott weiß was für organische Proben schwammen. Birte machte sich nicht die Mühe, die lateinischen Aufschriften auf den Etiketten zu entziffern. Direkt vor ihr stand ein modern wirkender Schreibtisch mit gläserner Arbeitsplatte, ähnlich dem, den sie bei der Besprechung mit dem Kommandanten in der OPZ gesehen hatte. Zur Linken gab es Laborelemente, wissenschaftliche Geräte aller Art, eine Liege und seltsam altmodisch wirkende Metallschränke.
Der Professor, ein hochgewachsener, grauhaariger Mann mit hoher Stirn, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und reichte Birte über die Arbeitsplatte die Hand.
»Ich grüße Sie, Frau Radler. Der Kollege Doktor Fischer wollte Sie auch gern kennenlernen, wir sollten ihn zu dem Gespräch dazu bitten.«
Er wollte gerade ein Schaltfeld auf dem Touchscreen seines Desktops betätigen, als die Tür sich öffnete und Doktor Fischer förmlich hereinstürmte.
»Tja, wenn man den Deibel nennt, kommt er gerennt, was?«, lachte Weyrich. Fischer lachte auch, die beiden verstanden sich anscheinend prächtig. Er schüttelte Birte die Hand, stellte sich nochmal kurz vor und setzte sich mit auf Weyrichs Seite des Schreibtisches. Der ergriff nun wieder das Wort.
»Also, Frau Radler, der Kommandant wird sie sicherlich bereits informiert haben, warum wir so erpicht darauf sind, Sie kennen zu lernen. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass wir vermuten, dass Ihr Körper gewisse Besonderheiten in der Biochemie aufweist, die wir gern näher untersuchen würden. Sie brauchen keine Angst zu haben, es wird nicht weh tun. Heute machen wir erst einmal so etwas wie einen generellen Check, Sie kennen das sicher. Untersuchung, Blutentnahme, EKG und EEG, eventuell noch MRT. Sind Sie damit einverstanden?«
»Ja sicher. Ich bin einverstanden.«
»Gut. Dann mal los. Zunächst ein paar Fragen zu ihrer Vorgeschichte ...«
Jahr Eins. 15. März Mittag
Alex ließ die Männer im Hangar antreten, nachdem die letzte Einsatzbesprechung abgearbeitet war. Er stand vor der geöffneten Ladeluke der C160D Transall des LTG63, die im Verlauf des Rückzuges vom Festland vom Stützpunkt EATC Hohn hierher verlegt worden war. Die ca. 29 Tonnen schweren Hummeln, wie die Maschinen von den Piloten wegen ihres Geschwaderwappens scherzhaft genannt wurden, hatten mit den brummeligen Insekten einiges gemeinsam. Betrachtete man die Abmessungen von Rumpf und Flügeln der Rückendecker, so käme man nie auf die Idee, dass sie fliegen könnten, dennoch brummten sie zuverlässig los, und das fast aus dem Stand. Die 35 Jahre alte Maschine kam mit knappen 700 Metern Startbahn aus, zum Landen reichte etwas mehr als die Hälfte, und das fleißige Insekt schaffte es, noch einmal locker 17 Tonnen Ladung in die Luft zu bringen.
Im Inneren der Maschine mit der Nummer 51+02 hatte der Lademeister 24 Eisenboxen, die durch Trennwände komplett abgeschottet waren, auf dem Boden verankert.
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