Taberna Libraria
bestimmte Sache." Cryas wiegte leichte den mächtigen Kopf. "Aber zuerst noch ein paar Worte zu dem Portal. Euer Haus ist übrigens nicht das einzige in eurer Welt, das ein solches vor der Öffentlichkeit verbirgt. In früheren Zeiten waren es sogar noch mehr, doch leider wurden viele im Laufe der Jahrhunderte zerstört. Die restlichen werden so gut es geht geheim gehalten - im Interesse beider Welten. Stellt euch nur vor, was geschehen würde, wenn einer eurer Herrscher versuchen würde, das Inselreich zu erobern - oder wenn eure Welt plötzlich von Magie überschwemmt würde. Nichts bliebe, wie es einmal war. Vielleicht würde es im besten Falle Krieg geben - vielleicht würden aber auch beide Welten aufhören, zu existieren. Niemand weiß es. Und gerade deshalb darf ein Austausch nur in geregelten Bahnen erfolgen. Versteht ihr?
Silvana runzelte die Stirn. "Und wer kontrolliert, ob diese Regeln eingehalten werden?"
"Das ist die Aufgabe der Gilde. Ihre Wächter halten sich stets in der Nähe ihres Portals auf. Zumeist sind es Händler, denn die vorrangige Bestimmung der Portale ist heute vor allem der Austausch von Waren zwischen den Welten. Natürlich finden auch noch Reisen statt, aber diese sind längst nicht mehr so zahlreich, wie noch vor einigen Jahren."
"Und wer bewacht unseres?" Corrie sah den Greif erwartungsvoll an.
"Auf dieser Seite - ich", antwortete Cryas nicht ohne Stolz, bevor er mit seinen Erläuterungen fortfuhr. "Wann und wie genau diese Portale entstanden sind, vermag heute niemand mehr mit Bestimmtheit zu sagen. Eine Theorie besagt jedoch, dass sie nur dort entstehen können, wo eure und unsere Welt besonders eng beieinander liegen, was an und für sich nicht unlogisch klingt, oder? Bekannt ist allerdings, dass die Portale schon seit mehr als 5000 Jahren existieren müssen, denn es ist bereits recht früh in eurer Geschichte zu ersten Aufeinandertreffen zwischen Menschen und Inselreich-Bewohnern gekommen. Das könnt ihr beispielsweise an den Göttern der Ägypter und den Faunen der griechischen Mythologie sehen - oder auch an dem germanischen Fenriswolf."
"Die kamen von hier?", fragte Silvana ungläubig.
Cryas zuckte die Schultern, was seine Schwingen leise rascheln ließ. "Damals hatte die Gilde der Portalmeister noch keine so strengen Richtlinien wie heute, was das öffentliche Auftreten der Reisenden in eurer Welt betrifft. Ihr braucht euch ja bloß einmal umzusehen: Selbst meine eigene Art ist bei euch zu einem mythischen Wesen der Sagen und Legenden geworden. Und etliche der Treffen, die zu solchen Sagengestalten oder gar
Göttern
führten, waren rein zufällig. Natürlich gab es auch Kreaturen, wie zum Beispiel diese eine Sphinx, die sich bewusst aus reiner Geltungssucht den Menschen präsentierten. Es gab sogar Treffen, die durchaus nötig waren - für beide Reiche. Hier ins Detail zu gehen würde jetzt allerdings zu weit führen. Wenn ihr Interesse habt, könnt ihr es irgendwann einmal in unseren Aufzeichnungen nachlesen. Wichtig für euch ist jedoch zu wissen, dass auch heute noch viele frühere Bewohner dieser Welt unerkannt in eurer Mitte leben, weil es ihnen in eurer Welt gefällt - Elfen beispielsweise, aber auch Ghoule, Werwölfe und Nymphen. Im Gegenzug kamen übrigens auch Menschen in dieses Reich und blieben hier, sodass ihr hier nicht nur euren sogenannten 'Fabelwesen' begegnen werdet." Er hielt inne, als er die konsternierten Blicke seiner beiden Besucherinnen bemerkte. "Ist etwas? Bin ich zu schnell?"
"Ghoule", wiederholte Silvana stirnrunzelnd. "In unserer Welt."
"Werwölfe", fügte Corrie mit geschürzten Lippen hinzu. "Klar."
Cryas hob die pelzigen Brauen. "In der Tat. Und einem seid ihr bereits begegnet."
"Einem Werwolf?", fragte Corrie und wollte noch etwas hinzufügen, als sich Silvana neben ihr in jäher Erkenntnis mit der flachen Hand vor die Stirn schlug. "Der Schatten! Und ich hatte schon gedacht, ich hätte einen totalen Knick in der Optik."
Da verstand auch Corrie. "Yazeem ist ein Werwolf?"
"Und ich hatte mich schon über den seltsamen Schattenriss gewundert, als er in der Küche gesessen hat. Diese Ohren und diese …
Schnauze
. Aber ich dachte, es wären vielleicht die Schatten von den Blumen auf der Fensterbank."
"Im Keller waren aber keine Blumen", stellte Corrie fest. "Nur eine Glühbirne. Und ich habe es auch gesehen."
"Wolfsschatten als Mensch und Menschenschatten als Wolf", bestätigte Cryas. "Er lebt nun seit fast 10 Jahren in eurer
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