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Taberna Libraria

Taberna Libraria

Titel: Taberna Libraria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Dageroth
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Seine Schnitzereien und Intarsien konnten nur von einem wahren Meister seines Fachs geschaffen worden sein. Die Füße besaßen die Form von efeuüberwucherten Buchstapeln, auf denen mächtige Zentauren standen, die die Platte hielten, um deren Seiten ein Flechtwerk aus Blättern und Federkielen mit Tintenfässchen verlief. Er sah einfach traumhaft aus und wäre in ihrer Welt sicherlich unbezahlbar gewesen. Ganz zu schweigen von dem
Platz
, den man dafür gebraucht hätte.
    Der Boden war bedeckt von bunten, weichen Teppichen, von denen einige nur einfach dalagen, wie man es von einem Teppich erwartete. Andere hingegen waren offenbar magischer Natur; die Szenerien auf ihnen bewegten sich lautlos und wichen den Füßen aus, wenn man auf sie trat.
    "Einfach unglaublich", stimmte Silvana ihrer Freundin zu und betrachtete fasziniert die ebenso kunstvoll geschnitzten Regale, die den Raum umschlossen und mit Büchern, Folianten, Pergamentrollen und allerlei seltsamen Gegenständen vollgestopft waren. Da gab es zum Beispiel einen kleinen Drachenschädel, der seine Zähne in ein altes Buch geschlagen hatte, ein Glasgefäß, in dem ein faustgroßes Stück Pergament schwebte wie ein Fisch im Aquarium und beständig die Farbe seiner Schrift veränderte, seltsame Figuren aus Holz und Stein, Gerätschaften aus diversen Metallen, deren Zweck sich jedoch nicht offenbaren wollte und über allem eine wahrhaftige, wenn auch ausgestopfte, gefiederte Schlange, die sich oberhalb der Regale über fast drei Wände des Raumes zog. Das dämmrige, orangene Licht der Kerzengläser maß sich beständig mit den zuckenden Schatten an der Wand. "Ich hatte es ja schon im Gefühl, dass uns mit dem Kauf des Buchladens noch etwas ins Haus steht, aber mit
sowas
habe ich nicht im Traum gerechnet. Ich muss zugeben, mein Weltbild hat gerade ein paar deutliche Risse bekommen."
    Im selben Moment kam Cryas mit einem geflochtenen Tablett zurück, das er an einer bunten Kordel in seinem Schnabel trug. "Ich denke, das geht jedem so, der das erste Mal hier ist", sagte er, nachdem er das Tablett neben ihnen abgestellt hatte. Darauf befanden sich zwei Tassen in normaler Größe und riesige, bauchige Schale, die mit Sicherheit zwei Liter fasste. Oder noch mehr. In allen dampfte jedoch die gleiche, aromatisch nach Beeren und Blumen duftende, dunkelrote Flüssigkeit. "Und irgendwann ist es dann meistens Zeit, es ganz abzureißen und durch ein Neues zu ersetzen."
    Corrie und Silvana folgten seiner einladenden Geste und nahmen in zweien der drei hohen Lehnstühle vor dem Tisch Platz, während Cryas selbst sich auf dem Berg Kissen dahinter auf die Hinterpfoten niederließ. Seine Raubvogelaugen musterten die jungen Frauen voller Interesse und Neugier. "Ich nehme an, das alles hier muss euch wie ein völlig verrückter Traum vorkommen."
    "Kann man wohl sagen", nickte Corrie und beugte sich vor, um sich die Teetasse vom Tablett zu nehmen. "Hm, der duftet aber sehr gut." Sie sah wieder auf. "Eigentlich hatten wir in ein paar Tagen ganz normal eröffnen wollen. Wir haben nichts von Yazeem oder Feuerwölfen oder dem hier geahnt."
    "Dann ist es ja vielleicht sogar ganz gut, dass ihr jetzt schon hier seid", meinte der Greif und tauchte den Schnabel in seinen Becher. "Bevor ihr noch mehr unliebsamen Gästen unvorbereitet begegnet wärt - oder noch unschönere Überraschungen erlebt hättet. Aber ich will euch weder Angst machen, noch der ganzen Geschichte vorgreifen. Vielleicht fange ich zuerst damit an, dass ich euch ein wenig darüber erzähle, wo ihr hier genau seid. Wäre das in Ordnung? Oder habt ihr andere Fragen, die wir vorher klären sollten?"
    Die beiden Freundinnen wechselten einen raschen Blick, bevor Corrie den Kopf schüttelte. "Aber in ganz kleinen Schritten, bitte."
    "Ich werde mir Mühe geben." Cryas stellte seine Tasse zurück auf das Tablett und faltete bedächtig seine Tatzen auf der Tischplatte. "Nun, zuerst einmal ist es mir eine wirkliche und ehrliche Freude, euch in der Welt der 100 Inseln willkommen zu heißen - oder genauer gesagt auf der Insel Amaranthina, einer der größten von ihnen. Oder, wenn man noch genauer sein will, in Port Dogalaan, der größten Hafenstadt auf Amaranthina. Letzten Schätzungen zufolge leben hier etwa 200.000 Einwohner aller Rassen und Kulturen. Soviele findet ihr vermutlich auf kaum einer der anderen Inseln, deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Herrschaftsgebiet sich in den meisten Fällen von ihrer Lage in den

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