Tablettenfee
etwa in einem Sonderklassezimmer?«
Mit einem weiteren ›Zsccchhhh! Blop!‹ des Kaugummis hauchte Bianca ein »Ja« in Udos Richtung, und fügte gleich hinzu:
»Vermisst du etwa hustende sechzigjährige Zimmergenossen? Oder inkontinente Schlafstätten-Nachbarn, wenn wir um halb zwei in der Früh Bettwäsche wechseln müssen.?«
»Nein, sicher nicht. Aber Bianca …« Es war ihm ein wenig peinlich.
»… es freut mich, dass du mich so eingeschätzt hast, aber wenn ich ehrlich bin – ich habe keine Sonderklasse-Zusatzversicherung!«
›Zsccchhhh! Blop!‹
»War klar. Aber das ist kein Problem. Du hast Sonderklasse-Bianca. Da brauchst du keine Versicherung.« Udo blickte fragend.
»Nein im Ernst. Ein paar Leute waren mir noch was schuldig. Wir checken das intern. Kostet dich keinen Cent.«
»Wow. Wirklich? Geil … Naja, so lässt es sich schon ein wenig leichter ertragen im Krankenhaus bleiben zu müssen.«
»Na siehst du.«
Nachdem er während des Gesprächs in das Bett gestiegen war, zog Bianca nun die Decke nach oben und deckte ihn zu. Udo zuckte kurz zusammen. Als Bianca über die Decke strich – wozu sie das auch immer machte – blieb ihre Hand für eine Millisekunde länger an der Stelle, die er persönlich als seine empfindlichste bezeichnen würde. Es kam ihm auch so vor, als wenn sich genau dort der Druck ihrer Hand verstärken würde. Udo hustete. Bianca blickte ihn unschuldig an.
›Zsccchhhh! Blop!‹
»Was ist? Hast du dich verschluckt?«
Er versuchte in ihren unschuldig wirkenden Augen zu lesen.
Keine Chance. Entweder hatte sie ihr Pokerface aufgesetzt oder seine Phantasie war wieder einmal davongaloppiert.
Siegmund Freud hätte wohl seine Freude mit ihm gehabt.
Udo schüttelte sich und griff mit der Hand zur Brust.
»Ähh … jaa … verschluckt.«
Bianca beugte sich unter das Bett um da irgendwelche Hebel zu berühren und in der letzten Sekunde kam es ihm so vor, als wenn da doch ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht gewesen wäre.
Als sie wieder aufstand, war da aber keine Regung, die seine Vermutung auch nur irgendwie bestätigte. Udo betrachtete Bianca nun genauer. Besser gesagt setzte er die Betrachtung im Gesicht fort, denn den Rest hatte er sich genauestens angesehen, während sie nach vorne gebückt am Bett hantiert hatte. Er konnte sich in Gedanken nur wiederholen. Sie war hübsch. Sie war ›echt Bombe‹ – wie Schnibbi sagen würde.
Doch da fiel ihm noch etwas anderes auf, was er bisher noch nicht bemerkt hatte: »Du Bianca, dein Lippenstift ist ein wenig verschmiert.«
Bianca wurde rot. »Ooops, schon wieder – immer wegen dem blöden Kaugummi. Aber ich kann nicht Kaugummi kauen ohne darauf rumzuspielen.«
›Zsccchhhh! Blop!‹
Demonstrativ ging sie in die Ecke, in der das Waschbecken stand und spuckte den Kaugummi in den mit Plastikbeutel ausgekleideten Mülleimer. Danach wischte sie mit kurzem Blick in den Spiegel den Lippenstift wieder zu geraden Konturen.
»Dürft ihr hier drin eigentlich Kaugummi kauen bei der Arbeit?«
»Nein.« Sie antwortete kurz und knapp. Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht gab sie ihm einen dicken Schmatz auf die Stirn und verließ wortlos das Zimmer.
Udo konnte nur mehr ein ›Zsccchhhh! Blop!‹ erahnen.
Udo starrte ihr nach. Auch noch als die Zimmertür bereits zu war und er sie nicht mehr sah, wendete er den Blick nicht gleich ab.
Was für ein Tag. Was für eine Woche.
Jetzt merkte er auch, dass die Kopfschmerzen sehr wohl noch da waren und in der letzten Stunde nur anderen Gefühlen Platz machen mussten. Aber sie kamen Udo nicht mehr so schlimm vor. Erstens wusste er, dass er sich keine großen Sorgen machen musste und zweitens hatte er – gerade mal so im Vorbeigehen – seine mysteriöse Bianca gefunden. Da meinte es das Leben mal endlich richtig gut mit ihm.
Udo schloss die Augen und fiel wieder in einen furchtbar tiefen, aber endlich erholsamen Schlaf.
6 Feuchte Träume
Aha. Er war also am Abend gleich eingeschlafen. Allerdings war Udo gar nicht verwundert, dass er wieder mal vermutlich mehr als zwölf Stunden am Stück geschlafen hatte. Er wusste, dass sein Körper im Moment die Regeneration so sehr brauchte. Und schuld war nur Hansi. Dieser Unhold. Wie konnte man denn ihm nur unterstellen, dass er auf die Ettmann scharf war? Igitt! Und wie konnte man so ein Unhold sein und dann so dümmlich-süß Hansi heißen?
Im Zimmer war es dunkel, ein Blick auf die Uhr bestätigte es ihm, es war kurz vor vier Uhr
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