Tablettenfee
erinnern, aber das war jetzt egal.
Wichtig war nur, dass Bianca da war. Sie war hübsch, nett und adrett. Außerdem schien sie auch für ihn etwas übrig zu haben. Mittlerweile konnte er zumindest seine Gefühlsregungen von Samstagnacht nachvollziehen.
Als Udo wieder aus der Röhre kam, betrachtete der Arzt bereits auf einem Monitor die Bilder.
»Nein, ich denke Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich kann auf all den Bildern nichts Beunruhigendes sehen. Es wird vermutlich wirklich ›nur‹ eine Gehirnerschütterung sein. Sie sollten aber vorsichtshalber zwei Tage zur Beobachtung hierbleiben.«
›Aha, auch die Betten müssen sich noch amortisieren‹, dachte Udo. Aber als er das freudige Lächeln auf Biancas Gesicht sah und wie sie zart ein Küsschen in seine Richtung hauchte, wusste er, dass er bereit war auch noch dieses ›Opfer‹ zu bringen. Hier und jetzt.
Irgendwie sah sie gar nicht wie eine Krankenschwester aus. Sie war hübsch, das war sie zweifelsohne. Aber da war so etwas – so ein Schalk in ihren Augen. Sie musste ein ziemliches Früchtchen sein, wenn man ihrem Blick Glauben schenken konnte. Aber gleichzeitig war da auch etwas sehr Warmherziges und Fürsorgliches. Sie war eine Mischung aus Yvonne Catterfeld und Lady Gaga. Eine Mischung, die Udo zweifellos ansprach.
»Am besten, Sie gehen gleich mit Schwester Bianca mit zur Station. Ich schreibe Ihnen eine Aufnahme für die nächsten zwei Tage. Wenn bis dahin keine Komplikation auftritt – und ich hoffe und denke nicht – können Sie dann nach Hause gehen.«
Gut, dass er die Zahnbürste dabeihatte.
Der Arzt stand auf, schüttelte Udo die Hand und verabschiedete sich bei ihm. An der Tür nickte er Bianca mit einem vielsagenden Lächeln im Gesicht zu und verschwand eilenden Schrittes. Vermutlich in Richtung des nächsten Patienten. Mit einem lauten Klacken schloss der halbautomatische Mechanismus die Tür endgültig hinter dem Gott in Weiß.
Weg war er. Und er war alleine mit Bianca. Udo sah sie an und strahlte. Bianca kniff ihn sanft ins Ohr, lächelte kess.
»Na dann, Herr Weikert, machen wir uns auf den Weg.«
»Wow. Du kennst sogar meinen Familiennamen?« Udo war erstaunt.
»Du würdest gar nicht glauben, was für geheime Details man in Krankenakten findet.«, entzauberte Bianca die Situation.
Mann, klar. Oje, die Frage war wirklich nicht intelligent gewesen.
›Zsccchhhh! Blop!‹ Der Kaugummi machte eine neuerliche Umrundung von Biancas Piercing.
Bianca kramte noch etwas hinter einer Wand und kam dann mit einem Rollstuhl hervor. Udo deutete auf den Flitzer und stellte sich doof.
«Was hast du mit dem vor?«
Bianca ging gar nicht darauf ein. Sie lächelte ihn nur an und tätschelte die Sitzfläche des Stuhls. Udo sah sie an wie ein Schüler seinen Zen-Meister, der diesem eben alle Geheimnisse des Universums offenbart hatte. Sie schien den Blick deuten zu können.
»Du musst dich hierher setzen«, erklärte sie ihm.
»Wozu? Ich kann selber gehen …«
»Ob du kannst weiß ich nicht – und selbst wenn, ist es egal …«
»Nein. Sicher nicht … ich werde …«
Aber nachdem Bianca mit ihrer Rede begann und etwas von Vorschriften, Disziplinarverfahren und Klagen gegen das Krankenhaus gesprochen hatte, und auch erwähnte, dass er nur über ihre Leiche selbst dorthin gehen werde, lenkte er ein.
Leiche? Nein, das wollte er nicht. Die Tür des Röntgenraums schloss sich hinter ihnen und sie machten sich auf den Weg zur Station. Dort sollte Udo erst mal zur Beobachtung bleiben.
Genauso hatte er sich das vorgestellt, sein erstes Treffen mit Bianca. Er in Unterhosen in einem Rollstuhl sitzend, mit einer Decke auf dem Schoß und seiner Kleidung in der Hand. Argh! Alles, nur das nicht. Er kam sich vor, als wäre er schwerst invalide. Verdammt!
Bianca schob ihn durch die Gänge bis hin zur Station, wobei die kleinen Vorderräder des Stuhls unablässig quietschten. Sie quietschten dermaßen laut, dass es Udo wirklich peinlich war.
Jeder, der auf dem Gang unterwegs stand oder saß, vorbeiging oder was auch immer tat, hob seinen Blick und betrachtete wie Udo vorbeigeschoben wurde. Er kam sich vor wie Christian Tramitz als der Ranger im ›Schuh des Manitu‹, einem seiner Lieblingsfilme. Genau wie in der Szene gleich zu Beginn des Films, als dieser am Marterpfahl gefesselt war. Da fiel der in tiefstem Bayrisch gesprochene Satz: »I bin mit der Gesomtsituation unzufriedn!«. Besser konnte man es nicht sagen. Udo hätte sich am
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