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Tablettenfee

Tablettenfee

Titel: Tablettenfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter K. Kubicza
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im Raum verteilten, ehe die Tür ihn in Sicherheit brachte. Draußen lehnte er sich an die Wand. Erst jetzt bemerkte er, dass natürlich das Adrenalin sein Herz zum Rasen gebracht hatte. Sein Herz und sein Atem rasten. Er fühlte sich lebendig wie nie. Udo war verwundert, wie er eben dem Leitner die Stirn geboten hatte. Ob das schon die wohltuende Wirkung von Bianca war? War es wirklich schon ihr Verdienst? Oder nur das gesteigerte Selbstwertgefühl, das unvermeidlich mit dem Hormoncocktail, der ihm nunmehr täglich verpasst wurde, einherging? Naja, war eigentlich egal. Er merkte nur, dass er sich zu seinem Glück der Situation gänzlich anders gestellt hatte, als es noch vor wenigen Tagen der Fall gewesen wäre. Ein Gefühl der Sehnsucht erwischte ihn, als er auf dem Weg zurück in sein Büro in Gedanken an seine Bianca dachte. Aber nur, weil er nicht wusste, was inzwischen alles vorgefallen war.
    Beim ersten Mal Aufsperren der Tür, als Udo zurückkam und den Ersatzschlüssel raussuchte, war Bianca noch nicht so ganz klar gewesen, was das eigentlich war. Im ersten Moment wusste sie nicht einmal mehr, wo sie überhaupt war. Nachdem die Tür wieder geschlossen worden war, klimperte sie mit den Wimpern und sah durch ihre noch leicht verschwommenen Augen. Sie erinnerte sich.
    Da – schon wieder sperrte jemand die Tür auf. Hatte sie das eben nur geträumt? Bianca lauschte. Keiner, der die Tür öffnete oder eintrat. Im Gegenteil – Bianca hörte Schritte, die sich entfernten. Ihr Puls ging schneller. Schlafen ging nicht mehr. Jetzt musste sie erst einmal nach draußen gehen und die Lage checken. Nachdem sie Zettel und Schlüssel gefunden hatte, war ihr zumindest das erste Mal des nachträglichen Öffnens der Tür klar. Bevor sie aber nachdenken konnte, was das zweite Mal bedeutete, läutete es an der Tür. Bianca öffnete und vor ihr stand ein indischer Postbote im hellblauen Paisleymuster-Hemd und starrte mit sperrangelweitem Mund auf ihren splitterfasernackten Körper.
    Verdammt! Nie im Halbschlaf die Tür öffnen!
    Bianca knallte die Tür wieder zu. Die Szene wirkte surreal, denn beide blieben auf der Stelle stehen, starrten geradeaus auf die Tür und wurden nur von dieser getrennt.
    Nach Sekunden des Schreckens hatte Bianca sich das rote Che Guevara- Shirt von Udo übergeworfen. Hätte sie noch einen Gürtel angelegt, wäre dieses zumindest von der Länge her allemal als Kleid durchgegangen. Sie öffnete erneut die Tür. Ratschi strahlte wie eine frisch polierte Euro-Münze. Bianca murrte.
    »Was gibt‘s?«
    »Äh ... Ik wollte Udo nur fragen, oob es ihm schon bessa geht unt oob er schon zuu Hause ist. Aber ik sehe – geht ihm gut. Sehr gut.«
    Ratschi ergänzte lachend. »Mir nun auch!«
    »Schön, dass es Ihnen nun auch gut geht.«
    Bianca schloss die Tür. Gar nicht komisch.
    Sie sah sich kurz in der Wohnung um. Dann entschloss sie kurzerhand, den heutigen Tag damit zu verbringen, die Wohnung ein wenig auf Vordermann zu bringen. Zuvor aber wollte sie etwas frühstücken. Als sie den Kühlschrank öffnete, bemerkte sie, dass sie sich diesen Gang definitiv hätte sparen können. Männerhaushalt – Zum Kotzen. Also wurden flugs auch alle anderen Kästchen durchsucht. Aber sie konnte nur eine Schachtel Kamillentee und jede Menge Spinnweben finden. Außerdem war der Tee schon seit zwei Jahren abgelaufen. Egal, sie stellte dennoch etwas Wasser auf.
    Mit dem Tee in der Hand ging sie zu Eduard. Dieser hatte sich gänzlich in eine Ecke verkrochen und ein wenig mit Heu bedeckt.
    Erst eine halbe Tasse Kamillentee später, Bianca hockte immer noch da, wurde das Sichtfeld frei. Eduard wagte sich wieder aus der Deckung. Die Schwellung seines Körpers war deutlich größer geworden – unförmiger. Er sah aus wie eine Boa Constrictor, die einen Kleinwagen verschluckt hatte. Nur eben kleiner. Die Haut war derart gespannt, dass man jederzeit erste Risse vermuten würde.
    Er tat ihr leid. Es war wohl doch nur eine Frage der Zeit, bis das Leben sie trennen würde. Eduard blinzelte sie aus seinen Mäuseaugen an, bewegte sich jedoch kaum. Also war die gestern noch von ihr kolportierte Lebensfreude ihres Mäuserichs augenscheinlich auch nicht mehr so ganz vorhanden. Bianca wurde weinerlich zumute. Vermutlich war die Zeit ihn zu erlösen näher, als sie wahrhaben wollte. Sie machte sich an die Arbeit, um das alles zu verdrängen.
    Am frühen Nachmittag war sie sich selbst nicht mehr sicher, ob das die Wohnung war, in der sie

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