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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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hatte vor dem Tierarzt gestanden, die rechte Hand auf dem mageren Rücken von Shere Kahn, als ihm die Tränen gekommen waren. Sogar der Tierarzt war verlegen geworden.
    Shere Khan würde nur unnötig leiden, sagte der Tierarzt, und das mache doch keinen Sinn. Er war der gleichen Meinung gewesen. Er hatte Shere Khan auf dem Schoß, als der Tierarzt ihm die Spritze gab, und er hatte ihn gestreichelt, bis er spürte, dass der Kater nicht mehr atmete.
     
    »Wer sind Sie?«, jammert sie.
    Er öffnet die Schranktür ganz. Blickt auf die zusammengekauerte Gestalt hinunter.
    Weiß sie das wirklich nicht? Ist sie so dumm? Kann sie nicht eins und eins zusammenzählen? »Ich bin’s«, sagt er.
    Sie stößt eine Art kindliches Jammern aus, mit dem Frauen kommen, wenn sie Angst haben. Er kann sie im Licht des Mondes, das durch die Dachluke hereinfällt, kaum erkennen. Sie ist so klein, verwundbar; erinnert ihn an eine der Porzellanpuppen seiner Mutter.
    Er spürt den Revolver hart und kalt auf der Haut. Hofft, dass er ihn nicht benutzen muss. Das wäre so vergeudet. Mit ihr muss alles nach Plan ablaufen.
    Er streckt die Hand aus, und sie greift automatisch danach. Er spürt, wie sehr sie zittert. Er hilft ihr auf, und sie taumelt an ihm vorbei und stolpert aufs Bett.
    »Ich bin’s«, sagt er noch einmal.
    »Oh, mein Gott«, haucht sie.
    »Hast du Angst?«
    Er hört nur ihren Atem.
    Ihm fällt ein, dass er zu filmen vergessen hat. Dabei wollte er doch ihre Reaktion aufnehmen! Er schnauft ärgerlich, während er die Kamera einschaltet und die Taschenlampe anknipst.
    Das grelle Licht blendet sie. Sie hält sich den Unterarm vor die Augen. Er leuchtet mit der Lampe auf den Boden, so dass das Licht sie nicht blendet, und filmt.
    Als ihr endlich aufgeht, dass es eine Videokamera ist, die er vor sein Gesicht hält, verschränkt sie die Arme vor der Brust und schluchzt.
    »Mama!«, jammert sie unter Tränen, wie ein kleines Mädchen. Dann reißt sie sich zusammen. »Aber wie…«, beginnt sie. Sie holt tief Luft. »Wer sind Sie?« Ihre Stimme ist laut. »Ich bin’s«, antwortet er.
    Er schweigt, während sie von einer Flutwelle aus Eiswasser überspült wird.
    »O mein Gott… sind Sie ausgebrochen?«
    »Ausgebrochen?«
    Es vergeht eine Weile, bis er versteht, was sie meint. Manchmal ist er wirklich langsam! Er richtete den Schein der Lampe auf sich selbst, und sie blinzelt zu ihm empor.
    »Aber… wer sind Sie?«, fragt sie wieder.
    Sie erkennt ihn nicht wieder. Das war wohl nicht anders zu erwarten. Trotzdem ist er enttäuscht.
    »Für wen hast du mich denn gehalten?«
    »Ich dachte, Sie wären… er.«
    »Er?«
    »Strøm! Rune Strøm.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Wer sind Sie?«
    Er lacht.
    »Was machen Sie hier?«
    »Dich besuchen.«
    »Mein Gott, bitte… bitte!«
    »Ich wollte dich endlich kennenlernen!«
    »Aber mein Gott, warum?«
    »Das wirst du schon noch erfahren.«
    Sie atmet schnell. Und in ihrer Stimme hört er ihren Herzschlag. »Wer sind Sie?«, fragt sie zum dritten Mal.
    »Ach, du weißt doch, wer ich bin.«
    Sie ist lange still. Er lässt sie in Ruhe denken. Spürt, wie die Steinchen an ihren Platz fallen, einer nach dem anderen. »Aber… Rune Strøm…«, murmelt sie.
    Er lacht und schnalzt mit der Zunge. »Rune, der arme, dumme Rune…«
    Sie verstummt wieder. Er filmt sie.
    »Wer sind Sie? Sein Bruder?«
    Er lacht. »Nein, nein, nein…«
    Dann sagt sie: »Aber Sie kennen ihn?«
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Früher.«
    »Früher?«
    »Wir gehörten zur gleichen Clique.«
    »Zur gleichen Clique…«, wiederholt sie mechanisch.
    Er lacht kurz. »Ich hatte mal was mit seiner Freundin.«
    Jetzt hört er wieder nur noch ihren Atem. Merkwürdig, wie man an dem Atem eines Menschen hören kann, was er denkt.
    »Seiner Freundin?«
    »Genau.«
    »Der Verlobten von Rune Strøm?«
    »Psst! Verrat das niemandem«, flüstert er geheimnisvoll.
    »Linda?«
    »Ein hübsches Mädchen!«
    »O mein Gott«, stammelt sie.
    Keiner von beiden sagt etwas. Er fummelt an der Lampe herum und sieht sie an. Ohne Schminke ist sie noch hübscher. »O mein Gott«, wiederholt sie. »Gütiger Gott!« »Nimm es nicht so schwer. Diesen Fehler hätte wohl jeder gemacht.«
    Sie starrt ihn an.
    »Alles war im Grunde richtig«, sagt er. »Alles, was die Polizei und ihr anderen über Rune herausgefunden habt. Alle Schlussfolgerungen, alles, abgesehen von einem kleinen Detail. Der Prämisse, wenn du so willst.« »O Gott…«
    Er

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