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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Sandkastens. Einen hinter der Ecke einer Campinghütte.
    Beim Kiosk, hinter einer Absperrung, neben einer Gruppe Polizisten, haben sich ein paar Schaulustige versammelt.
    Einer von ihnen hat eine Kamera auf der Schulter. Roffern!
    Er räuspert sich neben ihrem Ohr. Sie merkt, dass er ihrem Blick folgt.
    Irgendwo lädt jemand ein Gewehr durch.
    »Ich schieße!«, ruft er so laut, dass es in ihren Ohren klingelt.
    Es kratzt und rauscht in einem Lautsprecher, ehe eine Megafonstimme über den Platz schallt: »BLEIBEN SIE STEHEN! HIER SPRICHT DIE POLIZEI! SIE SIND UMSTELLT!«
    Die Stimme kommt ihr vage bekannt vor.
    »Ich knall sie ab!«
    »LASSEN SIE DIE FRAU GEHEN!«, ruft die metallische Stimme. »SIE SIND VON BEWAFFNETEN POLIZISTEN UMSTELLT! LASSEN SIE DIE FRAU FREI!«
    Kristin hat den Mann mit dem Megafon ausgemacht. Er steht halbwegs geschützt hinter einem Jeep. Es dauert einen Augenblick, bis sie ihn erkennt. Er sieht fremd aus mit der Sturmhaube und der schusssicheren Weste. Aber das ist Polizeidirektor Runar Vang.
    »Geh weiter!«, flüstert er ihr ins Ohr.
    Sie bewegen sich ruckartig über den Weg. Sie fühlt sich wie ein siamesischer Zwilling mit vier Beinen. Sein Atem in ihrem Nacken. Der linke Arm um ihre Taille. Sein Unterleib an ihrem Po. Bei jedem Schritt.
    Nach ein paar Metern wird ihr klar, wo er hin will.
    Zum Wasserfall.

15 Uhr 15
    Es ist vorbei.
    Das ist ihm schon eine ganze Weile klar.
    Er wusste es in dem Augenblick, als Vang seinen Namen aussprach. Als er den Helikopter gehört hatte. Das Wasserflugzeug sah. Als er Kristin in dem dunklen Schlafzimmer in der Almhütte in die Augen blickte. Ihr das erste Video schickte. Als er sie das erste Mal im Fernsehen sah. Als er Linda ertränkte. Das war der Anfang vom Ende, und jetzt war es da.
    Ihr Haar duftet frisch. Er drückt die Nase gegen ihren Hinterkopf und saugt den Duft ein. Durch den Hemdstoff fühlt er ihre Rippen unter seiner linken Hand und das Pochen ihres Herzens.
    In diesem Augenblick hat er eine Idee. Mit dem Duft ihres Haares in der Nase und dem Blick auf eine üppig grüne Zitterpappel ist ihm schlagartig klar, was er tun muss. Hinterher werden alle glauben, er habe das die ganze Zeit so geplant.
    Er dreht vorsichtig den Kopf zur Seite. Die Polizei folgt ihnen. Solche Einsätze haben sie trainiert. Etappenweises Aufrücken. Gegenseitige Deckung.
    Natürlich haben sie Geiselsituationen wie diese trainiert. Verzweifelter Mann, der seine Waffe auf den Kopf der Geisel richtet. Er weiß, was sie denken. In jeder Sekunde hat einer von ihnen ihn im Visier. Wenn er den Revolver auch nur den Bruchteil einer Sekunde von ihr abwendet, schießen sie.
    Sie hören den Wasserfall. Polternd, fauchend. Die Luft wird feuchter.
    »Schneller!«, flüstert er in ihr Ohr. Obgleich es alles andere als einfach ist, so zu gehen. Und obgleich sie eigentlich keine Eile haben.
    Sie geht schneller.
    Er dreht sich immer wieder um. Nimmt hastige Bewegungen aus dem Augenwinkel wahr. Sie wissen, dass er nicht versuchen wird, auf einen von ihnen zu schießen. Sobald er den Revolver von ihr abwendet, werden sie ihn wie eine Ratte abknallen. Sie sind überall. Und sie sind unsichtbar.
    Um ein Haar wäre sie über einen lockeren Randstein gefallen. Sie stolpern mit kurzen, unsicheren Schritten vorwärts, ehe sie das Gleichgewicht wiederfinden. Das war knapp.
    Sie werden sein Leben auf den Kopf stellen. Die Zeitungen und Zeitschriften. Das Fernsehen und das Radio. Schulkameraden von früher werden Fotos von Klassenausflügen verkaufen. Es wird ganze Bildserien in den Zeitungen über ihn geben. Dokumentationssendungen im Fernsehen. Psychologen und Psychiater werden ihn analysieren und sezieren. Er kann es sich lebhaft vorstellen. Die Schlagzeilen. Die Fernsehbeiträge. Aufnahmen von seinem Haus. Interviews mit Nachbarn, Kollegen aus dem Kino, Mitschülern. Erschütternd, ausgerechnet er! So ein netter Mann! Das hätte ich nie gedacht! Niemals! Innerhalb weniger Tage wäre er Allgemeinbesitz. Umgekrempelt und verurteilt.
    Ist das nicht entsetzlich? , werden sie sagen. Wir haben ihn immer für einen netten jungen Mann gehalten. Nicht zu glauben.
    Sie gehen die Schiefertreppe hinunter zu der Plattform vor dem Wasserfall.

15 Uhr 20
    Wie es sich wohl anfühlt, jeden Augenblick mit dem Tod rechnen zu müssen, denkt Vang.
    Ein ganzes Stück vor sich, zwischen den Bäumen, sieht er Kristin Bye. Es erstaunt ihn, wie ruhig sie wirkt. Unbeteiligt. Viele andere an ihrer Stelle wären

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