Tabu: Thriller
Umschlag. Ein anderer Typ Videokassette. Ein maschinengeschriebener Brief…«
»…der nicht mehr verrät, als die Zeitungen bereits geschrieben haben«, bemerkte Kristin.
»Keine Bibelzitate«, sagte Skaug.
»Er hat sich selbst einen Namen gegeben«, gab Wolter zu bedenken.
Kristin verdrehte die Augen. »Aquarius? Ist das nicht ein Begriff aus der Astronomie?«
»Astrologie!«, korrigierte Wolter sie.
»Er verweist auf vier vorangegangene Morde«, sagte Skaug.
»So unpräzise, dass es auf alles Mögliche anspielen kann.«
Wolter wedelte mit dem Brief. »Ich glaube, da hat es jemand auf uns abgesehen, der will, dass wir uns gefährlich in die Nesseln setzen. Vielleicht einer der Journalistikstudenten, der sich über uns ereifert hat, als wir das Video gezeigt haben. Würde mich nicht wundern, wenn sie das hier fabriziert haben, um uns hereinzulegen. Damit sie morgen in der Presse damit großtun können, wie unkritisch wir sind. Er schreibt es ja sozusagen in seinem Brief. Mal sehen! Hört her: weil ihr nicht wisst, ob ich ein Spiel mit euch treibe. Ob ich wirklich ich bin. Oder ein makabrer Spaßvogel. Wie soll man das deuten? Würde ein Mörder so etwas schreiben?«
Skaug lachte leise. »Ein Anflug von Paranoia, gnädiger Herr!«
»Ich habe mit so etwas gerechnet. Fast schon darauf gewartet. Dass uns jemand an den Karren fahren will. Warum sollte der Mörder dieses Mal alles anders machen? Hat er sich eine neue Kamera gekauft? Seine gelben, gepolsterten Umschläge aufgebraucht? Hat er an seinem Arbeitsplatz einen Umschlag von der Stadtverwaltung geklaut? Nicht sehr wahrscheinlich, oder? Und wieso sollte er riskieren, erwischt zu werden, während er den Brief in einem Laden für Büroartikel schreibt? Das ist doch unlogisch. Ich halte das für einen ausgesprochen schlechten Scherz. Auf unsere Kosten.«
»Ich sehe auch noch eine andere Möglichkeit«, sagte Kristin. »Möglicherweise hat jemand heimlich eine Frau gefilmt, um ihr eins auszuwischen. Seine Ex, vielleicht. Ein verschmähter Liebhaber? Wenn wir die Aufnahmen senden und sie sieht sich selbst und erfährt, dass sie von einem Mörder verfolgt wird, wird sie ziemlich außer Fassung geraten.«
»Guter Hinweis! Verdammt guter Hinweis!«
»Eine andere Frage«, sagte Skaug. »Haben wir nach dem ganzen Bohei noch genügend Mumm, noch mehr von diesen Videos zu zeigen?«
Wolter und er sahen sich in die Augen. Keiner sagte etwas.
»Hast du Vangs Nummer im Kopf?«, fragte Wolter.
»O nein, müssen wir die Amöbe da unbedingt reinziehen?«, sagte Kristin.
Die Ermittler waren in knapp sieben Minuten vor Ort. Kristin hatte die Zeit gestoppt. Nach fünf Minuten hörte sie die Sirenen, und eine Minute und fünfzig Sekunden später stand die Polizei am Empfang.
Die Polizisten sahen sich die Aufnahme mehrmals hintereinander an, als handelte es sich um ein geniales Stück Filmkunst, von dem sie kein Detail verpassen wollten. Den Brief lasen sie auch mehrmals.
»Was haben Sie für einen Eindruck?«, fragte Wolter.
»Schwer zu sagen«, antwortete Vang. »Wir müssen eine technische Analyse vornehmen. Auf den ersten Blick wirkt es fast so, als stände ein völlig anderer Absender dahinter als der Mörder. Aber das ist nicht mehr als eine Vermutung.«
»Denken Sie, dass wir die Aufnahme zeigen sollten?«
Vang lachte. »Ziehen Sie mich nicht in den Kladderadatsch mit rein. Ich habe so schon Probleme genug.«
»Der Briefeschreiber kommt mit einer unverhohlenen Drohung«, sagte Kristin. »Müssen wir die ernst nehmen?«
Vang zuckte mit den Schultern. »Lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich siedele das Ganze vorläufig nicht allzu hoch an. Wenn wir die Analyseergebnisse haben, werden wir weitersehen. Aber ich habe meine Zweifel. Gäbe es eine einzige Übereinstimmung mit den früheren Briefen, wäre es keine Frage gewesen. Aber rein persönlich glaube ich, dass Ihnen das hier jemand geschickt hat, der Ihnen einen Streich spielen will.«
»Das war auch schon unsere Vermutung«, sagte Wolter.
»Sie haben sich ja bestimmt eine Kopie von dem Video gezogen, tun Sie also, was Sie für richtig halten.«
Sie zeigten die Aufnahme nicht.
3
Kristin hat gerade zu Hause in ihrer Wohnung die Zweiundzwanzig-Uhr-Ausgabe gesehen, als das Telefon klingelt. Sie schaut auf die Uhr und seufzt. Eigentlich hat sie gehofft, früh ins Bett zu kommen. Entweder war es die Arbeit, was hieße, dass sie das Bett vergessen konnte, oder eine Freundin, was das Gleiche
Weitere Kostenlose Bücher