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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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stellte verwundert fest, dass sie lallte. Reiß dich zusammen, Anita! Sie legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel, massierte seine Muskeln mit den Fingerspitzen. Er rührte sich nicht.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«, fragte sie sanft. Er war doch nicht etwa homosexuell? Das hätte sie doch längst merken müssen.
    »Nein.« Er kriegte kaum noch Luft. »Es ist nichts.«
    Hatte er vielleicht Angst? Auf dem Gymnasium war sie mit Jungs zusammen gewesen, die Panik kriegten, wenn sie zu forsch vorging und zu viele Knöpfe öffnete.
    Mühevoll setzte sie sich auf, schwankte ein paar Mal hin und her, fand dann aber die Balance wieder und sah ihn an. Seine Gesichtsmuskeln zeichneten sich in der schummrigen Beleuchtung deutlich ab. Er sah ausnehmend gut aus.
    Du bist voll, Anita! Nach einem halben Drink! Du bist voll und verrückt!
    »Du«, sagte sie, »ich hätte eine Frage…«
    »Ja?«
    »Darf ich dich küssen?«
    Er befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze.
    Sie beugte sich zu ihm.
    »Warte«, sagte er kurzatmig.
    »Was ist?«
    Er lächelte durchtrieben. »Lass uns in den Keller gehen.«
    »In den Keller?«
    »Ich hab da…ein Zimmer.«
    Nadelstiche wie Feuer in den Brüsten und zwischen den Schenkeln ließen sie erschaudern.
    »Ein Zimmer?«, wiederholte sie kess. Sie stellte sich alles Mögliche vor: ein Schlafzimmer, ein Hobbyraum mit einer Matratze auf dem Boden, ein sadomasochistisches Horrorkabinett. Es war ihr egal. Sie wollte ihn haben, und wenn er ein perverses Schwein war, würde sie das Spiel mitspielen. Selbst perverse Schweine konnten interessant sein.
    »O Gott, ich bin nicht ganz…«, nuschelte sie.
    »Komm«, flüsterte er.
    Ihr wurde schwindelig.
    Shere Khan miaute.

Aquarius

1
    Der Tag in einer Fernsehredaktion beginnt gemächlich.
    Die ersten Mitarbeiter trudeln gegen acht Uhr ein; verschlafen, kaffeedurstig, unmotiviert. Der eine macht einen Kontrollanruf bei einem Informanten, andere verbarrikadieren sich mit der Tageszeitung im Raucherzimmer. Im Hintergrund summen eine Regionalsendung und Guten Morgen , Norwegen. Am Layout-Tisch steht der Chef vom Dienst in einen Stapel Zeitungen, Faxe und Einladungen zu Pressekonferenzen vertieft.
    Um neun Uhr ist Besprechung. Einige eifrige Reporter sind voller Ideen und Ansichten, während andere heimlich den Tagesplan überfliegen, um sich eine unproblematische Sache herauszupicken, an der sie arbeiten wollen. Der Chef vom Dienst versucht, eine Diskussion anzuleiern. »Was bewegt Norwegen heute?«, fragt er immer wieder. Keiner weiß so recht, was Norwegen heute bewegt. Weder Norwegen noch die Journalisten sind richtig wach. Jemand schlägt etwas vor, worüber ein anderer letzte Woche im Arbeiderbladet geschrieben hat. Am Ende verteilt der Chef vom Dienst seufzend die Aufträge des Tages und hakt sie auf seiner Liste ab.
    Aber dann – ganz langsam, kaum spürbar – beginnt die Redaktion munter zu werden. Während der Chef vom Dienst telefoniert, scharen sich die Reporter ungeduldig um den Layout-Tisch, weil sie auf eine neue Nachricht gestoßen sind, eine Sache aus einem neuen Blickwinkel bearbeiten wollen oder ein spannendes Interview-Objekt aufgetan haben. Die Telefone beginnen zu schrillen. Im Laufe weniger Stunden hat die Redaktion die Müdigkeit abgeschüttelt.
     
    Widerstrebend wählte Kristin die Durchwahl von Polizeidirektor Vang. Sie hasste diese regelmäßigen Kontrollanrufe, nicht nur, weil die Polizei nie etwas Neues zu berichten hatte, sondern vor allen Dingen, weil sie sich dabei wie ein Quälgeist fühlte und nicht selten mitschuldig.
    Vang antwortete. Sie hörte Stimmen im Hintergrund. Sie stellte sich vor, wie Vang sich genervt vom Sitzungstisch wegbeugte, um das Telefon auf dem Schreibtisch zu erreichen.
    »Kristin Bye…«, setzte sie an.
    »Nichts Neues!«, fiel er ihr ins Wort. Und fügte etwas freundlicher hinzu: »Ich verspreche, eine Pressemitteilung rauszuschicken, sobald wir neue Erkenntnisse zu vermelden haben.«
    »Ich ziehe trotzdem den persönlichen Kontakt vor.«
    »Ja, wie der Rest Ihrer Kollegen. Für mich hat das nichts Persönliches.«
    »Dann entschuldigen Sie die Störung. Ich dachte, die Polizei hätte erkannt, wie nützlich es ist, dass die Medien die Leser und Zuschauer auf dem Laufenden halten. Ich werde mich auf alle Fälle wieder melden. Auflage von meinen Vorgesetzten. Aber…«, ihre Stimme war jetzt zuckersüß, »falls ich noch mehr Briefe und Videos bekomme, werde ich es so lange wie möglich

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