Tabu: Thriller
sie noch tiefer erröten und noch lauter lachen ließ. Als sie sich wieder unter Kontrolle hatte, wagte sie kaum, ihn anzusehen.
»Und«, fragte er, um die Konversation in Gang zu halten, »was wäre heute dran gewesen?«
»Das achtzehnte Jahrhundert.«
»Ah, die große Friedenszeit.«
»Sterbenslangweilig«, sagte sie.
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch, sterbenslangweilig!«
»Im Grunde stimme ich dir ja zu. Aber um Gottes willen, verrat das bloß nicht Professor Albertsen!«
Diesmal lachten sie beide.
»Das ist ein komischer Kauz«, sagte sie.
»Aber gelehrt!«
»Wie eine Eule!«
»Ich will dir ein Geheimnis anvertrauen: Der Grund, warum er so verdammt schlau ist, ist der, dass er neunhundert Jahre auf dem Buckel und das Gedächtnis eines Elefanten hat! Er hat alles, wovon er erzählt, selbst erlebt!«
Sie kicherte. »Komisch, dass Sie mir nicht früher aufgefallen sind!«
»Finde ich auch. Normalerweise hinterlasse ich bleibenden Eindruck bei den Frauen.«
Sie lachten wieder. Sie wurde rot.
Als sie das Eis aufgegessen hatte, lud er sie zu einer Tasse Espresso in ein dunkles, enges Café mit einem femininen Kellner ein, der ständig nachfragte, ob sie mehr Zucker haben wollten. Er erzählte von seiner Doktorarbeit, von Klettertouren und Fallschirmspringen und von seiner Frau, die vor vier Jahren gestorben war. Als er sie auf ein Glas Wein zu sich nach Hause einlud, dachte sie flüchtig an Espen, der ja doch ein treuloser Mistkerl war, und nahm dankend an. Aber nur, wenn er etwas Stärkeres als Wein anzubieten hatte.
Das hatte er.
Das Haus war pedantisch aufgeräumt und wirkte fast unbewohnt. Es roch schwach nach Krankenhaus und… etwas Vergänglichem.
Sie setzte sich auf das weiche Sofa, und er stellte den CD-SPIELER an. Roxy Music. So ein Zufall, wo sie doch Roxy Music so toll fand! Sie sah sich im Wohnzimmer um. Langweilig eingerichtet. Steril. An der Wand hing ein Gemälde von einer jungen Frau, die ein bisschen Ähnlichkeit mit ihr hatte.
Während er was zu trinken einschenkte, betrachtete sie ihn heimlich. Sein Gesicht war hart und weich zugleich. Als er mit den Gläsern auf sie zukam, wirkte er unentschlossen, ob er sich neben sie aufs Sofa oder auf den Sessel setzen sollte. Sie klopfte auf das Kissen neben sich und dachte: Das ist eigentlich völlig bescheuert – junge Studentin, reifer Lehrer.
Wetten, dass er ein erstklassiger Liebhaber ist, dachte sie. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte er: »Du… ich hoffe, du glaubst nicht, dass ich, du weißt schon, meine Position ausnutze?«
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ehrlich gesagt, war es genau das, worauf sie hoffte.
Er missverstand ihr Schweigen. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich lade sonst nie Studentinnen zu mir nach Haus ein.«
»Wer sagt, dass ich Angst habe?«, fragte sie. Diesmal wurde sie nicht rot. Und sie merkte, dass sie dabei war, die Kontrolle zu übernehmen. Die Situation hatte etwas prickelnd Unmoralisches; sie und er alleine, der Lehrer und die Studentin.
»Prost!«, sagte er und hob das Glas.
Sie nahm einen Schluck von dem Drink. Gin Tonic. Einen Hauch bitterer, als sie ihn sonst trank.
Eine magere Katze kam ins Wohnzimmer gewackelt. Sie blieb stehen, sah sie an und humpelte zu dem Mann. Er streichelte ihr über den Kopf.
»Shere Khan«, sagte er.
»Ist sie krank?«
Er antwortete nicht. Vielleicht war sie nur dünn.
»Schönes Haus«, sagte sie und dachte: Ich habe Lust auf ihn! Ich muss mir gar nichts vormachen. Wozu das anständige Mädchen spielen? Ich habe Lust, mit diesem Mann zu schlafen!
»Ganz okay«, sagte er, »wenn man alleine lebt.«
Sie nahm noch einen Schluck und schüttelte sich. »Haben Sie keine Untermieter?«
Er lachte laut. »Normalerweise nicht.«
Sie fiel in sein Lachen ein und lehnte sich an ihn.
Er verkrampfte etwas. »Prost, noch mal«, sagte er und setzte sich auf.
»Trinkzwang«, murmelte sie und trank. Mit einem Mal drehte es sich vor ihren Augen. Meine Güte, sie vertrug doch wohl mehr als drei Schluck! Sie ließ die linke Hand auf sein Knie fallen und spürte, wie er am ganzen Körper zu zittern begann. Lange her seit dem letzten Mal, dachte sie.
»Soll ich vielleicht andere Musik auflegen?«, schlug er vor.
Er ist nervös, dachte sie. Dreist und charmant bis zum entscheidenden Punkt. Dann verlässt ihn der Mut. Gut, dann muss ich das eben in die Hand nehmen. Sie nahm noch einen Schluck. »Die Musik ist super«, sagte sie leise und
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