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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Fernseher, der mit schwarzem Bildschirm in der Ecke stand. Sie folgte seinem Blick.
    »Ich hätte es, glaube ich, nicht geschafft, beim Fernsehen zu arbeiten«, sagte er.
    »Warum nicht?«
    »Früher vielleicht. In den Sechzigern. Das waren andere Zeiten.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist zu jung, Kristin. Zu jung, um das zu verstehen. Der Fernsehapparat war eine Ikone! Etwas Magisches. Die Moderatoren waren Halbgötter. Aufklärer. Idealisten. Inzwischen gibt es kaum noch Ideale. – Erik Bye! Kjell Arnljot Wig! Wo seid ihr?«, rief er scherzhaft durchs Zimmer.
    »Du klingst wie ein betagter Wirrkopf, Gunnar.«
    »Ich bin ein betagter Wirrkopf. Vergiss nicht, ich werde langsam alt.«
    Sie sah ihn im Schein der Kerzen an. Er wurde tatsächlich langsam alt.
    Sie stießen mit alkoholfreiem Rotwein an, der wie saurer Saft schmeckte. Sie nahm Gemüse nach und etwas von der braunen Sauce.
    »Und sonst?«, fragte Gunnar.
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir warten alle auf den nächsten Umschlag.«
    »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Um mich? Ich bin ja wohl die Letzte, an der er sich vergreifen wird.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich fühle es. Er will mir imponieren. Aus mir bislang unerklärlichen Gründen.«
    Er sagte nichts mehr. Sie aßen. Sie hoben die Gläser und stießen an.
    Zum Dessert gab es Milchreis ohne rote Sauce. Später, als sie ins Wohnzimmer umgezogen waren, servierte er Kaffee, Cognac und Kekse. Sie wollte keinen Cognac, aber er bestand darauf. Das waren schließlich die Gelegenheiten, für die er Cognac im Haus hatte, und wenn alle Gäste aus Rücksicht auf ihn ablehnen würden, war das Risiko viel zu groß, dass er ihn eines schönen Tages alleine trinken würde.
    Als sie aufbrechen wollte, half er ihr in den Mantel. Sie stand einen Moment vor ihm und suchte nach etwas Nettem, das sie ihm sagen konnte, etwas, das ihm zeigte, was er ihr bedeutete. Aber ihr fiel auf die Schnelle nichts ein. Also sagte sie einfach: »Danke für das wunderbare Essen, Gunnar.«
    »Es war mir ein Vergnügen!«
    »Ich bin schwer beeindruckt! Ich hab dich immer für einen Labskaus-Mann gehalten.«
    »Das Leben ist eine Illusion.«
    »Wie meinst du das?«
    Er lächelte schief. »Bist du bereit für das kleine Geständnis des Abends? Frau Henriksen aus der vierten Etage hat mir bei dem Braten und der Sauce geholfen.«
    »Gunnar!« Kristin lachte.
    »Aber die Kartoffeln hab ich allein gekocht.«
    Kristin beugte sich vor und nahm ihn in den Arm. »Und die Kartoffeln waren hervorragend«, flüsterte sie ihm ins Ohr.

3
    Die Postkarte war nicht unterschrieben. Sie lag zwischen den Briefen und Drucksachen in ihrem Postfach im Sender.
    Ich weiß, wo du wohnst.
    Wo Satan seinen Thron hat.
    Sie dachte nicht weiter darüber nach. Sie bekam in letzter Zeit so viele merkwürdige Briefe. Jemand hatte sie beschuldigt, den Mörder zu ermuntern, noch mehr Morde zu begehen. Ein anderer riet ihr, sich von Satan zu befreien und Hilfe beim Herrn zu suchen. Ein paar Briefeschreiber beschuldigten sie, selbst hinter den Morden zu stehen. Sie hatte über zwanzig Heiratsanträge bekommen (einige schienen tatsächlich ernst gemeint zu sein) und acht schweinische Angebote. Eins dieser Schweine – der von Perversitäten schrieb, von deren Existenz sie nicht einmal gewusst hatte – hatte ein pikantes Polaroidbild beigelegt.
    Der Tag verging wie im Flug. Sie hatte zwei Millionen Anrufe zu beantworten (größtenteils Anfragen wegen Interviews), und nach der Mittagspause standen Termine mit Skaug und Wolter und später noch mit Vang im Polizeipräsidium an.
    Vang bestätigte indirekt, was sie befürchtet hatte: Die Polizei tappte im Dunkeln. Sie überreichte ihm nur zu gern die kranken Briefe, die sie bekommen hatte, und lachte über seine Reaktion auf das Polaroidbild von dem Mann mit der ausgeprägten, erotischen Fantasie.

4
    Obgleich sie hoffte, von weiteren Aquarius-Videos verschont zu werden, ertappte Kristin sich immer wieder dabei, auf den nächsten Umschlag zu warten. Und da war sie nicht die Einzige. Auch die anderen in der Redaktion waren ungeduldig. Die Zeitungen spekulierten bereits darüber, ob Kanal 24 und die Polizei Informationen zurückhielten.
    Der Mord an Marianne war irgendwie… Kristin suchte nach dem passenden Wort… unvollkommen, halb fertig, ohne Unterschrift.
    Sie hatte die unangenehme Vorahnung, dass er sie auf die Folter spannte, damit das, was dann folgte, noch stärker wirkte, grenzenlos

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