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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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schockierte.
    Worauf wartete er? Hatte er aufgehört zu filmen? War etwas passiert? Allmählich müsste der Umschlag doch kommen.
    Er kam früh am nächsten Morgen.
    Skaug weckte sie. Es war neun Uhr, sie hatte verschlafen. Sie solle sich ein Taxi schnappen und schneller als der Blitz in die Redaktion kommen, wo Vang und sein Team bereits auf sie warteten. Der Umschlag war von dem Polizeifahnder bei der Post abgefangen worden.
     
    Am Empfang wimmelte es nur so von Polizisten in Zivil. Vang, Skaug und Wolter saßen im Büro des Nachrichtenredakteurs und erwarteten sie.
    Vang erhob sich, reichte ihr Latexhandschuhe und gab ihr den Umschlag, nachdem sie die Handschuhe übergestreift hatte. Er lächelte undefinierbar: »Der war an Sie adressiert. Wir wollten ihn nicht aufmachen.«
    Es war wie ein uraltes, religiöses Ritual, den Umschlag in die Hand zu nehmen. Er sah genauso aus wie der erste. Groß, braungelb, gepolstert, mit ihrem Namen in roten, unterstrichenen Blockbuchstaben.
    Vang pfiff leise eine alte Jazz-Melodie.
    Fast aggressiv riss sie das Kuvert auf und zog die Videokassette und den Brief heraus. Sie las laut vor:
    KRISTIN!
    WIR SEHEN JETZT NUR UNDEUTLICH WIE IN EINEM TRÜBEN SPIEGEL; DANN ABER VON ANGESICHT ZU ANGESICHT. JETZT ERKENNE ICH STÜCKWEISE; DANN ABER WERDE ICH ERKENNEN, WIE ICH ERKANNT BIN.
     
    KRISTIN, DU KENNST DOCH DIE GESCHICHTE VON SCHWESTER MADELEINE DE DEMANDOLX. BETRACHTE MICH ALS DEINEN BEELZEBUB.
    IN DER BIBEL STEHT GESCHRIEBEN: DENN WENN EINER NUR HÖRER DES WORTS UND NICHT AUCH EIN TÄTER IST, SO GLEICHT ER EINEM MANN, DER SEIN GESICHT IM SPIEGEL BESCHAUT.
    AQUARIUS
    »Glasklare Botschaft, wie immer«, stellte sie fest.
    Vang beugte sich vor, schnappte ihr den Brief aus der Hand und schob ihn in eine durchsichtige, verschließbare Plastiktüte.
    »Wollen wir das Band ansehen?«, sagte Wolter.
    Sie musste sich das nicht anschauen. Das sagte sie sich immer wieder. Du musst dir das nicht anschauen. Im Gegenteil, sie täte sich einen großen Gefallen damit, es nicht zu tun. Dennoch lehnte sie sich im Stuhl zurück, kniff die Augen ein wenig zusammen, wie sie es tat, wenn sie etwas Spannendes im Fernsehen sah. Sie hörte Vang ungeduldig seufzen und Skaug mit den Fingern auf die Tischplatte trommeln.
    »Spielt das Band ab!«, sagte Skaug.
    Wolter betätigte die Fernbedienung.
     
    Kristin war nicht einmal überrascht, als sie sich selbst wiedererkannte. Das war irgendwie logisch. Sie hatte die ganze Zeit geahnt, dass es so enden würde.
    Sie hörte Wolter wiederholt »Scheiße« murmeln und fühlte, wie sich Skaugs Hände wie Bärenpranken um ihre Schultern schlossen.
    Vang presste die Lippen zusammen und schnaufte laut durch die Nase.
    Die ersten Aufnahmen waren vor ihrem Haus gemacht worden. Ihr erster Gedanke war: Wo hat er gefilmt? Hinter einem Auto. Oder aus einem Auto heraus?
    Die nächste Sequenz war an der Haltestelle aufgenommen, als sie auf die Straßenbahn wartete. Dann sah man sie auf dem Weg in das Gebäude von Kanal 24 im Wergelandsveien und eine längere Passage, wo sie in dem 7-Eleven in der Thorvald Meyers Gate eingekauft hatte. Der Typ war ganz schön dreist. Selbst, wenn er die Kamera in einer Tasche versteckt hatte. Hatte sie ihn womöglich gesehen? Hatte sie etwa in der Kassenschlange vor ihm gestanden, womöglich einen Blick mit ihm gewechselt?
    Die letzten Bilder waren abends aufgenommen worden. An ihrer Aufmachung, dem türkisfarbenen Jogginganzug, erkannte sie, dass er sie gefilmt hatte, als sie von einer Aerobic-Stunde nach Hause kam.
    Sie sah die drei ernst dreinblickenden Männer an, suchte nach einer Blödelei, um die Stimmung aufzulockern. Stattdessen brach sie in Tränen aus.

Zweiter Teil
    Sie ist älter als die anderen. Das sieht er erst jetzt. Dabei war sie ihm so jung und süß vorgekommen, als er sie entdeckt hatte -, lange, blonde Haare, große Augen, straffes T-Shirt und enge Jeans -, doch jetzt, da sie bewusstlos auf seiner Matratze liegt, sieht er deutlich, dass sie viel älter ist, als er gedacht hatte. Schmale Fältchen strahlen von Mundwinkeln und Augen aus. Und am Ansatz sind ihre Haare eine Spur grau. Dreißig, mindestens, vielleicht sogar fünfunddreißig. Himmelherrgott. Hätte er doch nur genauer hingesehen, bevor er sie in den Lieferwagen gelockt hat. Jetzt ist es zu spät.
    Sie jammert, stöhnt, öffnet die Augen aber nicht. In der Regel dauert es eine gewisse Zeit, bis sie wieder zu sich kommen.
    Er zieht ihr die hochhackigen, weißen

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