Tacheles
und erhob sich. Er schob Bronstein zurück in den Eingangsbereich, wo er sich verbeugte, um sodann der Demand einen guten Tag zu wünschen. Bronstein stand noch einen Moment im Raum, nickte dann und folgte Cerny auf den Flur.
Dieser empfing ihn mit einer Frage: „Und was jetzt?“
„Jetzt schauen wir einmal, was der Herr Hermann dazu zu sagen hat.“
Die beiden überwanden die zwischen den Wohnungen liegenden Etagen und klopften schließlich an die Tür des Juniorchefs. Es war seine Gattin, die öffnete.
„Guten Tag – Oberst Bronstein, Sie kennen uns sicher noch. Ist der Herr Gemahl zugegen?“
„Ja, aber er telefoniert gerade. Wenn Sie einen Augenblick warten möchten? Ich hole ihn.“
„Was, wenn ihn die Demand schnell angerufen hat, während wir die Stufen erklommen haben?“, flüsterte Cerny, nachdem die Ehefrau sie allein gelassen hatte.
„Dieser Gedanke kam mir auch gerade“, antwortete Bronstein, „wir werden sehen, wie er sich verhält, und daraus unsere Schlüsse ziehen.“
Wenige Augenblicke später betrat Hermann Demand den Raum und begrüßte die beiden Beamten mit der Frage, ob er ihnen etwas aufwarten könne, immerhin sei der Tag schon recht weit fortgeschritten und sie müssten doch ein wenigHunger haben. Wiewohl Demand mit dieser Vermutung zumindest bei Bronstein richtig lag, lehnte dieser stellvertretend für seinen Kollegen und für sich selbst ab. Er kam lieber gleich zur Sache.
„Herr Demand, wie war Ihr Verhältnis zu Ihrer Stiefmutter?“
„Nicht besonders, wie Sie sich vorstellen können.“
„Was heißt das?“
„Ich bitte Sie, meine Herren, ist das nicht offensichtlich? Durch sie wurde meine Mutter zu einer Unperson. Sie hat meinem Vater den Kopf verdreht und unsere Familie auseinandergerissen. Wie sollte ich sie also mögen?“
„Wir haben Hinweise darauf, dass Sie in den letzten Wochen sehr oft bei Ihrer Stiefmutter zu Gast waren.“
„Ja, das stimmt. Aber das hatte rein geschäftliche Gründe.“
Bronstein und Cerny wechselten einen Blick. Entweder, die Demand hatte ihren Stiefsohn entsprechend instruiert, oder die beiden sprachen die Wahrheit.
„Geschäftliche Gründe?“, fragte Bronstein dennoch nach.
„Nun ja, mein Vater war ein sehr konservativ denkender Mensch. Er stand neuen Formen des Wirtschaftslebens überaus skeptisch, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Durch sein Beharren auf konventionellen Methoden aber ist unsere Firma, gerade in Zeiten einer weltweiten Depression, zunehmend ins Hintertreffen geraten. Ich versuchte, ihm neue Strategien schmackhaft zu machen, um auf dem Markt verlorenes Terrain zurückzugewinnen, doch davon wollte er nichts wissen, weshalb ich schließlich meine Stiefmutter aufsuchte, in der Hoffnung, sie könnte in meinem Sinne auf meinen Vater einwirken, denn in den letzten Jahren hat er ja immer nur auf sie gehört. In allem und jedem.“
„Und waren Ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt?“
„Irgendwie ja. Meine Stiefmutter stand mir erstaunlich aufgeschlossen gegenüber und bemühte sich offensichtlichwirklich darum, meinen Vater in diesem Sinne zu beeinflussen. Ob sie damit auf längere Sicht Erfolg gehabt hätte, lässt sich jetzt allerdings nicht mehr sagen.“
Beim letzten Satz machte Hermann Demand eine grüblerische Miene, und Bronstein fragte sich umso mehr, ob die beiden Demands nun die Wahrheit erzählt hatten oder eine besonders schäbige Komödie aufführten. An dieser Stelle, so war er sich bewusst, würde er jedoch nicht weiterkommen. Die Wahrheit war und blieb hier unerkennbar, er brauchte andere Stellungnahmen, um einschätzen zu können, welche Sichtweise nun der Wahrheit näher kam, jene von Eva oder die, die ihm eben aufgetischt worden war.
Mit einem Mal fiel ihm Siegfried vulgo Samuel ein. So betulich und wissenschaftsbeflissen konnte der Bruder gar nicht sein, um nicht zu wissen, was in seiner Familie geschah, dachte sich Bronstein. Ergo war es naheliegend, ihn zu befragen, denn von Hermann würde man ohnehin nicht mehr erfahren, als man zum gegenwärtigen Zeitpunkt wusste. Bronstein meinte daher aufgeräumt, das wäre es auch schon wieder gewesen, und empfahl sich sodann. Cerny, leicht irritiert, deutete gleichfalls einen Diener an und folgte seinem Chef.
„Warum hast du jetzt nicht weitergemacht?“, fragte er auf dem Gang. „Weil da nichts Neues mehr zutage getreten wäre. Die beiden haben sich entweder verabredet, oder aber sie haben uns die Wahrheit gesagt. Und um herauszubekommen,
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