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Täglich frische Leichen

Täglich frische Leichen

Titel: Täglich frische Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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angetan?«
fragte mich Rafael behutsam. Ich erzählte es ihm, und während ich sprach, wurde
sein Mund immer schmaler, bis die volle Unterlippe fast völlig verschwunden
war.
    »Und deine Hand?« fragte er
ängstlich. »Funktioniert sie noch?«
    Ich sah auf meine rechte Hand
hinab und krümmte versuchsweise die Finger. Die Knöchel waren abgeschürft und
bläulich, aber die Finger schienen sämtlich noch heil. »Ich glaube nicht, daß
etwas gebrochen ist«, meinte ich.
    »Warum hat er das gemacht?«
    »Ich griff nach der Pistole, da
trat er mir auf die Finger«, erklärte ich.
    »Chiquita«, sagte er und
berührte zart meine Schulter. »Es ist besser, wenn du jetzt hinausgehst.«
    »Gern«, sagte ich matt.
    Ich ging langsam durch den
Raum, mit Füßen schwer wie Blei und nahm meine Sachen mit. Marian Stern hing
noch schlaff über der Sessellehne, aber ihre Lider klapperten einmal, als ich
sie ansah, woraus ich folgerte, daß der Schreck sie doch nicht umgebracht
hatte. Schade.
    Draußen in der Diele wanderte
ich immer weiter, bis ich ein Badezimmer fand. Ich drehte, bis die Dusche
lauwarm rieselte, stellte mich darunter und stöhnte auf, als das Wasser die
Striemen auf meiner Schulter traf. Ein paarmal glaubte ich Schreie zu hören,
aber ich hielt das entweder für Einbildung oder Geräusche des Wassers in der
gekachelten Duschkabine.
    Ich tupfte mich mit dem
zartesten Handtuch trocken, das ich auftreiben konnte. Auf der Glaskonsole
unterm Spiegel stand Hautcreme, mit der ich meine Wunden salbte.
    Nachdem ich mich wieder
angezogen hatte, nahm ich einen Kamm aus der Handtasche und brachte mein Haar
in Ordnung. Dann verließ ich das Bad und traf Rafael in der Diele.
    »Wie fühlst du dich jetzt?«
fragte er besorgt.
    »Ich glaube, ich komme mit dem
Leben davon«, sagte ich.
    »Was dir fehlt, ist ein volles
Glas«, sagte er und nahm zärtlich meinen Arm. »Ich entsinne mich, im Wohnzimmer
eine Hausbar gesehen zu haben. Für wichtige Einzelheiten habe ich einen Blick.«
    Er führte mich an dem »Loch«
vorüber, und ich blieb plötzlich stehen. »Weißt du, daß du die Tür
offengelassen hast, Rafael?« fragte ich. »Sie können ganz einfach
hinausspazieren. Du solltest doch lieber abschließen.«
    »Nicht nötig, Chiquita«, sagte
er. »Komm, du mußt was trinken.«
    »Augenblick!« sagte ich, denn
seine Worte hatten jenen unschuldsvollen Ton, den er immer benutzt, wenn er
etwas ganz Schlimmes angestellt hat.
    Ich machte mich von ihm los und
blickte ins »Loch« hinein. Marian Stern hing noch immer über der Sessellehne,
und ich trat zwei Schritte näher. Ihre Augen öffneten sich und starrten mich
teilnahmslos an, dann schlossen sie sich wieder.
    Noch ein Schritt, dann bemerkte
ich den Unterschied. Ihr Rücken hatte einen Streifen aufgewiesen, wo ich sie
erwischt hatte, ehe sie in Ohnmacht fiel. Jetzt trug er eine ganze Reihe davon,
ordentlich verteilt, im Abstand von jeweils einer knappen Handbreit.
    Hinter mir ertönte ein
schwaches Stöhnen, und ich fuhr rasch herum. Terry hockte zusammengesunken in
einer Ecke; sein Gesicht war geschwollen und voller Flecken, und Tränen rollten
ihm über die Backen. Die linke Hand umklammerte das rechte Handgelenk. Daumen
und kleiner Finger rechts zeigten geradeaus, aber die drei anderen wiesen vom
zweiten Glied an aufwärts.
    Ich sah zu, daß ich schnell
wieder aus dem Raum kam. Rafael erwartete mich in der Diele. Er zuckte mit
keiner Wimper. Wir gingen ins Wohnzimmer, wo er den Schnapsschrank öffnete und
zwei Gläser füllte.
    »Warum setzt du dich nicht hin,
Chiquita?« erkundigte er sich teilnahmsvoll.
    »Rafael«, fragte ich, »ich
brauche ja nicht zu fragen, was du mit der Witwe Stern gemacht hast — aber was
hast du Terry getan?«
    »Das nennt man ausgleichende
Gerechtigkeit, Mavis«, erklärte er geschmeidig. »Er hat dir die Finger
ruiniert, ich habe ihm seine ruiniert.«
     
     
     

10
     
    Der Thunderbird hielt vor dem
Haus, das ich mit mißbilligenden Blicken streifte. »Weshalb mußt du
ausgerechnet hierherfahren?« fragte ich bekümmert. »Im Augenblick bin ich nicht
in Form für weitere Auseinandersetzungen mit Arturo.«
    »Diesmal wird er dich nicht
behelligen, Mavis«, versicherte Rafael. »Er hat andere Sorgen. Die Polizei war
den ganzen Vormittag hier und hat ihn wegen Stern verhört. Du weißt, daß man
Sterns Leiche heute früh am Strand gefunden hat?«
    »Seine Witwe hat’s mir erzählt,
bevor der große Tanz begann«, sagte ich.
    »Willst du nicht doch

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