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Täglich frische Leichen

Täglich frische Leichen

Titel: Täglich frische Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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genauso angezogen wie am Nachmittag. Natürlich trug sie
eine andere Bluse, zart korallenfarben, dazu jedoch dieselben hautengen
schwarzen Hosen, die noch in denselben Stiefeln steckten.
    »Ja?« sagte sie leise.
    »Ich bin Johnny Rio«, erklärte Johnny.
»Ich höre, Sie wollen mich sprechen?«
    »Das wollte ich mal«, sagte
sie. »Jetzt ist es zu spät dazu.«
    »Aber da wir nun hier sind,
könnten wir auch reingehen und uns ein bißchen unterhalten«, sagte Johnny
ungerührt und ging auf sie zu, wodurch sie zurücktreten und uns den Weg in die
Diele freigeben mußte.
    Sie starrte uns einen
Augenblick an, dann warf sie die Haustür zu und ging voran ins Wohnzimmer. Auf
den ersten Blick hatte ich gedacht, Rafaels Behandlung habe sie nicht weiter
mitgenommen. Aber beim Gehen sah man den Unterschied. Sie bewegte sich nur ganz
vorsichtig, ließ die Schultern hängen und zog die Füße nach. Es war der Gang
einer alten Frau.
    Ich blieb plötzlich stehen, als
wir ins Wohnzimmer kamen und ich Terry in einem Sessel sitzen sah. Er sah uns
entgegen, sein rechter Ellbogen ruhte auf der Sessellehne, um ihm das Gewicht
der Holzschiene zu erleichtern, der an Hand und Unterarm gebunden war. Seine
Finger waren dick umwickelt.
    Seine kalten Augen blieben
absolut ausdruckslos, als er mich ansah. Unwillkürlich schauderte mir. Dann
blickte er Rafael an, und einen Moment lang sah ich Haß und Wut in ihnen
aufblitzen, aber gleich darauf waren sie wieder wie tot.
    »Wollen Sie nicht Platz
nehmen?« sagte Marian Stern förmlich.
    »Besten Dank«, sagte Johnny und
ließ sich auf der Couch nieder. Ich setzte mich neben ihn, Rafael bezog einen
Sessel in der Nähe. Wir sahen uns an, und ich fragte mich, ob denn eigentlich
alles noch mit uns stimmte.
    Nach dem, was schließlich am
frühen Abend hier vorgefallen war, schien es unglaublich, daß es sich nun um
dieselben Akteure handelte, von Johnny einmal abgesehen. Ein unbefangener
Ankömmling hätte uns für Partygäste halten können, die soeben eingetroffen
waren und auf den ersten Cocktail warteten, der das Eis brechen sollte.
    »Worüber wollen Sie sich mit
mir unterhalten, Mr. Rio?« fragte Marian Stern nach längerer Stille.
    »Zunächst einmal über den Tod
Ihres Gatten«, sagte Johnny. »Ich bin in diese Sache hineingeraten, und nun
möchte ich mir über einige Tatsachen Gewißheit verschaffen. Sie könnten mir
dabei helfen.«
    »Die Tatsachen sind einfach zu
begreifen«, sagte sie. »Mein Mann ist ermordet worden, und dort sitzt der
Täter.« Sie nickte in Rafaels Richtung.
    »Sein Teilhaber wurde ebenfalls
ermordet«, sagte Johnny. »Oder wußten Sie das schon?«
    »Ja, ich weiß«, sagte sie.
»Terry hat heute nachmittag seine Leiche gesehen.«
    »Terry?« sagte Johnny.
    »Sie müssen meine schlechten
Manieren verzeihen, Mr. Rio«, sagte sie ruhig. »Ich fürchte, all das
Vorgefallene... Dies hier ist Terry, ein Gast des Hauses. Terry, dies ist Mr.
Rio.«
    »Tag, Terry«, sagte Johnny
gelassen.
    Terry betrachtete ihn fünf
Sekunden lang intensiv, dann sah er wieder weg.
    »Was wollten Sie doch sagen,
Mr. Rio?« nahm Marian Stern den Gesprächsfaden wieder auf.
    »Ich überlegte, ob Sie
vielleicht eine Erklärung für den Mord an Anderson haben?« fragte Johnny. »Und
auch einen für den an Ihrem Gatten?«
    »Ich weiß keine«, erwiderte sie
tonlos. »Abgesehen davon, daß es offenbar mit der Anleihe zu tun hat, über die
zwischen meinem Mann und seinem Teilhaber einerseits und Arturo Santerres andererseits verhandelt wurde. Aber darüber
wissen Sie wohl Bescheid, Mr. Rio?«
    »Ja, gewiß«, sagte Johnny.
»Aber es ergibt doch keinen Sinn, daß Vega Ihren Mann absichtlich ermordet
haben sollte — er ist doch als Arturos Leibwächter hier. Wieso sollte er dessen
Verhandlungspartner umbringen wollen?«
    »Um die Verhandlungen zu
torpedieren, natürlich«, sagte sie. »Präsident Santerres ist noch nicht lange am Ruder, es gibt noch starke konterrevolutionäre Kräfte.
Vega gehört offensichtlich zu ihnen.«
    »Dann hätte er doch viel eher
Arturo selbst ermorden müssen«, meinte Johnny.
    »Um sich damit zu verraten —
als Gegner der Revolution und Attentäter?« Sie lächelte kalt. »So lief alles
viel besser für ihn, Mr. Rio. Die Anleihe wurde unmöglich gemacht, und seine
Position blieb trotzdem unangetastet.«
    Johnny brannte sich in aller
Ruhe eine Zigarette an und blickte etwas spöttisch drein. »Sie haben alles durchschaut,
nicht wahr?« sagte er.
    »Ich bin ja nicht von

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