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Taenzer der Nacht

Taenzer der Nacht

Titel: Taenzer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Holleran
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aus.
    „Und der Grund dafür, daß du überhaupt kein Eng lisch kannst“, sagte der eine plötzlich zu seinem Freund auf Englisch, „ist, daß du zu viel Zeit damit verbringst, den Schwänzen nachzulaufen!“
    Und sie mischten sich wieder unter die Menge, wäh rend der Angegriffene sich in schnellem Spanisch auf ge - regt gegen seinen Freund verteidigte.
    Der grauhaarige Mann auf dem Sofa verdrehte die Augen, seufzte aus tiefer Brust, als er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte, und sagte: „Mein Lieber, ganze Leben sind schon auf der Jagd nach Schwänzen vergeudet worden.“ Plötzlich setzte er sich auf. „Oh!“ sagte er. „Dieses Lied!“
    In diesem Moment fing „One Night Affair“ an, sich aus den Resten von „Needing You“ zu erheben, und sie stellten beide ihre Pappbecher mit Apfelsaft ab und gingen zur Tanzfläche.
    Für einen Moment war das Sofa leer, und zwei große Schwarze mit breitgeränderten Hüten erspähten es, wäh rend sie sich ganz langsam wie schwerfällige Segel kähne tanzend an den Rändern der Menge ent lang schoben, aber bevor sie den Teppich zu den beque men Kissen hin überqueren konnten, hörte ich das Rascheln von Seide und eine charakteristische Stimme. Ich drehte mich um und sah, wie Sutherland sich mit einem dünnen bleichen Jungen mit Hornbrille hinsetzte, der so wirkte, als sei er gerade zwischen den Bücherregalen der New York Public Library hervor gestolpert.
    Für einen Augenblick schauten Sutherland, während er eine Zigarette in seine lange schwarze Spitze steckte, und der Junge mit seiner Brille zu den schwarzen Typen mit ihren Hüten über den Vorleger hinweg hin; dann drehten die zwei Schwarzen ab, als sie sahen, daß sie ihren Hafen verloren hatten, und fuhren fort, sich wie zwei Galeonen durch die Fluten zu bewegen, die an einem heißen, windstillen Tag vor der Elfen bein küste kreuzen.
    „Ich halte das für einen perfekten Ausdruck des gan zen traurigen Zustands der menschlichen Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt der Geschichte, ich halte es für ein perfektes Symbol für den Verfall von Amerika“, sagte Sutherland in jener tiefen kehligen Stimme, die immer kurz davor schien, etwas auszusprechen, woran man in seinen wildesten Träumen nicht gewagt hätte zu denken, „daß Nigger die einzigen sind, die noch ernst haft Hüte tragen!“ Und er wandte sich dem Jun gen mit der Zigarette in seiner Zigarettenspitze zu und wartete auf Feuer.
    „Nigger?“ sagte der Junge in einer kratzigen, ernst haften Stimme, während er drei Versuche unterneh men mußte, bis er endlich Feuer aus seinem Feuerzeug bekam.
    „O Liebling, bist du einer von diesen Millionären, die mit 99-Pfennig-Feuerzeugen herumlaufen?“ sagte Suther land, während er darauf wartete, daß sich end lich eine Flamme entzündete.
    Der Junge – der, wie wir später erfuhren, der Erbe eines großen Landwirtschaftsmaschinen-und Dünge mittelvermögens war – wurde purpurrot, denn er konnte Anspielungen auf sein Geld nicht vertragen und hatte panische Angst, jemand würde ihn um ein Darlehen bitten oder annehmen, er werde die Rech nung bezahlen. Sutherland zog an seiner Zigarette, nahm sie dann von den Lippen und sagte durch eine Rauchwolke hindurch, als der Junge wieder nach einer Erklärung für Nigger verlangte: „Schwarze, Liebling, Neger, was auch immer du willst. Warum sind sie die besseren Tänzer? Denn sie sind es zweifelsohne. Sie bringen Sachen fertig, die ein Weißer in einer Million Jahre nicht schaffen würde. Und warum gelingt es ihnen, weiße Hüte zu tragen? Und all diese übertriebenen Klamotten? Wenn Fingerhandschuhe wieder Mode werden“, sagte er, während an seinen eigenen lan gen schwarzen zog, „und ich bin sehr betrübt darüber, daß sie überhaupt eines Tages aus der Mode kamen, kannst du sicher sein, daß sie sie als erste tragen werden!“
    Der Junge schaute nicht zu Sutherland hin – seine Augen waren bereits von etwas drei Meter Entferntem gefangengenommen worden. Sein Gesicht hatte diesen ins Mark getroffenen, verzweifelten Ausdruck eines Menschen, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Rasse von Männern sieht, von denen er nie zuvor etwas geahnt hat, schönere Männer, als er sie sich je vorstellen konnte, und alle auf diesem engen Raum. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Er lehnte sich zu Sutherland hinüber, der in diesem Mo ment gerade mit seinen Handschuhen fertig geworden war, und sich jetzt durch eine hauchdünne Wolke stetigen

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