Taenzer der Nacht
pfirsichfarbenen Schleiern um den Kopf von Johannes dem Täufer tanzt; Lavalava, ein Junge aus Haiti, der Mannequin für Vogue war, bis einer der Herausgeber ihn ihm Umkleideraum mit einem unge heuren Schwanz dort sah, wo eine Vagina hätte sein sollen; ein anderer Mann, der berühmt war für den einen Film, den er produziert hatte, und in seinem Leben nichts anderes mehr tun wollte – sie wirbelten alle durcheinander auf dieser Fläche aus hellem Holz und tanzten füreinander, ohne sich anzuschauen.
In diesem Raum waren die romantischsten Seelen der Stadt versammelt. Wenn sie auch ihre Tage in Banken und Bürohäusern verbrachten, egal: Ihr wirkliches Leben begann, sobald sie durch diese Tür schritten – und sie waren alsbald getauft in einem neuen Glauben, wie durch wunderbares Untertauchen zum Leben er wacht. Sie lebten nur für die Nacht. Der schönste Orien tale war in Wirklichkeit enthaltsam wie die Bac chan tinnen des Dionysos: Er kam jede Nacht, um sich dann den Augen eines jeden, der ihn begehrte, zu ent ziehen (wenn auch aus anderen Gründen, als Malone ihr Starren übersah), und nachdem er stundenlang in einer Gruppe halbnackter Männer getanzt hatte, mar schier te er allein nach Hause und weigerte sich, das Hochgefühl seines Herzens von der Wirklichkeit fleisch licher Küsse trüben zu lassen. Der Klatsch behaup tete, daß er sich nur deswegen weigerte mit Männern zu schlafen, weil er einen kleinen Schwanz habe – die Lepra der Schwulen – aber diese Erklärung war nur zu weltlich: Er wollte sein Leben im Reich des Perfekten, des Idealen halten. Er wollte begehrt werden, nicht besessen, denn indem er begehrt blieb, blieb er, wie die Figur auf der griechischen Urne, auf immer ersehnt. Er wußte nur zu gut, daß er, sobald ihn einer besessen hätte, nicht mehr verzaubert wäre – so wurde der Sex selber zweitrangig gegenüber dem Schauspiel: dem einen Moment, in dem er zur Tür hereinkam. Und selbst, während er jetzt tanzt, bleibt er sich bewußt, wessen Herz er gerade bricht; jeder dort war sich genau der Gegenwart eines jeden anderen bewußt.
Zum Beispiel saß ich auf dem Sofa und schaute Archer Prentiss zu, wie er mit zwei Männern in Holz fällerhemden und Schnauzbart tanzte, die aussahen, als kämen sie gerade aus den Wäldern von Maine – zwei Typen, die ich schon Jahre und Jahre gesehen habe, aber nie einen Wort mit ihnen gesprochen, eben so wenig wie mit Archer Prentiss. Diese praktische Di stanz hinderte uns aber nicht, eine Menge übereinan - der zu wissen. Obwohl ich keine Ahnung hatte, wer die beiden Fremden zu meiner Linken waren, noch jemals Archer Prentiss vorgestellt worden war, kannte ich haargenau die Länge und Dicke des Schwanzes eines jeden von ihnen, und was sie im Bett machten.
Und genauso ging es jedem anderen hier im Raum.
Wenn eine der Figuren aus diesem Teppich aus Klatsch, der im Twelfth Floor gewoben wurde, ver schwand – wie der Mann, der nach Kambodscha geflo hen oder der, der in den Westen gefahren war – würde ein solches Verschwinden in dieser Menge weniger geheimnisvoll sein als in den meisten anderen Fällen. Wenn ein Gesicht einmal aus der Menge verschwand, dann normalerweise aus einem der drei folgenden Gründe: 1) er war tot, 2) er war in eine andere Stadt gezogen, in der er noch nicht mit allen geschlafen hatte, oder 3) er hatte einen Freund gefunden, sich zur Ruhe gesetzt und verbrachte die Samstagabende mit seinem Partner zu Hause und diskutierte mit ihm den Grundriß des Hauses, das sie sich in Teaneck, New Jersey, bauen wollten.
Die beiden Fremden, die sich eben auf das Sofa links von mir gesetzt hatten, sprachen gerade über so einen Umzug. Der große Blonde (dessen Gesicht mit einer Winston-Zigarette im Mund zur Zeit Dutzende von Plakatwänden entlang der Long Island-Autobahn zier te), sagte zu dem Dunklen: „Er will, daß ich mit ihm zusammenziehe, sobald er aus Portugal zurückkommt“.
„Ach du liebe Güte, er wohnt doch am Beekman Place, nicht?“
„Ja, aber Howard wohnt noch jenseits von Sutton, und er will auch, daß ich bei ihm einziehe. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll.“
„Heirate John! Am Sutton Place wohnen doch nur jüdische Zahnärzte.“
Und sie brachen in Gelächter aus über ihre Lösung für dieses Problem. Währenddessen war die Person zur Tür hereingekommen, die mich, ohne daß ich wußte warum, mehr als irgendein anderer Stammgast hier faszinierte: Sutherland. Er schwebte mit einer son der baren Clique im
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