Taenzer der Nacht
Schlepptau herein, zwei ägyptische Baumwollprinzessinnen, der beliebteste Dressman, der in den letzten zehn Jahren aus Paris gekommen war, ein puertoricanischer Drogenhändler und ein italieni scher Prinz. Sutherland trug einen schwarzen Norell, einen Turban, schwarze Pumps, einen Bergkristall und einen Schleier. Er hielt sich eine lange Zigarettenspitze an die Lippen und verschwand in der Menge. Der Dunkelhaarige neben mir begann jetzt darüber zu disku tieren, ob er mit Archer Prentiss ins Bett gehen solle, der zwar a) häßlich sei, aber b) einen großen Schwanz habe.
Mitten in ihren Überlegungen brandete plötzlich Zulemas „Giving up“ aus den monotonen Stücken von Deodato auf, und die beiden Holzfäller sprangen hoch um zu tanzen; sofort setzten sich zwei andere Bur schen in Schwarz mit müden, schönen Augen auf ihre Plätze und begannen, sich über die beiden, die gerade gegangen waren, zu unterhalten: „Ich nenne ihn den Eierkuchen-Mann“, sagte der eine. „Er benutzt aber kein Make-up“, erwiderte der andere. „O nein, nicht deshalb“, gab der erste zurück. „Sondern, weil er ge nau der Mann ist, mit dem du an einem Samstag morgen aufwachen möchtest, und er macht Eierkuchen für dich, und dann geht ihr mit dem Hund im Park spazieren. Und er trägt immer einen Schnäuzer, und immer karierte Hemden!“
„Ich finde ihn auch geil“, sagte sein Freund, „aber jemand erzählte mir, er habe das kleinste Pimmelchen von New York.“
Und im selben Moment, als ob er mit den Fingern geschnippt habe, zerfiel der große, blonde Holzfäller, der da in all seiner strahlenden Männlichkeit an der Tanzfläche stand, zu Staub.
„Ach nein“, meinte der eine, „das hat mir gerade noch gefehlt.“ Er bedeckte sich das Gesicht mit den Händen. „Ich habe doch meine Beruhigungstabletten schon genommen, warum mußt du mir das jetzt sagen?“
„Weil es wahr ist“, sagte der andere.
„O Gott“, stöhnte der erste in dem nasalen Jammer ton von Brooklyn, „o Gott, ich kann’s nicht glauben. Nein, er bleibt mein Eierkuchen-Mann.“
„Aber sie tragen doch alle karierte Hemden und haben Schnäuzer“, sagte sein Freund zu ihm. „Du kannst dir doch genauso einen mit großem Schwanz aussuchen. Aber dich wird sowieso keiner von ihnen anschauen.“
Er schaute zwischen seinen Fingern durch zu dem Holzfäller hin, der sich gerade angeregt mit Sutherland in seinem schwarzen Norell, seinem Turban und seiner Zigarettenspitze unterhielt, und fragte: „Wer ist denn die, mit der er da gerade spricht?“ Und der andere sagte: „Ihr Name ist Andrew Sutherland, und sie wohnt an der Madison Avenue. Sie steht auf Speed. Bestimmt hat sie nicht mehr lange zu leben.“ In diesem Moment begann „Needing You“, noch etwas verschüt tet unter den leiser werdenden Klängen von „You’ve Got Me Waiting for the Rain to Fall“, und die beiden Burschen auf dem Sofa – mit schärferen Ohren als Koyo ten und ohne einander fragen zu müssen – spran gen hoch und liefen zur Tanzfläche. Sofort wurden ihre Plätze von einem älteren grauhaarigen Mann und seinem Freund, einem noch älteren Mann eingenom men, der wegen seines Hörapparates, seines Toupees und seines Stützgurts unter den jüngeren Trinen als „Ersatzteil“ bekannt war. „Ich finde ihn wunder schön“, sagte der Mann über den Jungen, der gerade gegangen war, „wie ein Kabuki, diese lange Nase, die schweren Augenlider. Er schaut nie zu mir her, meinst du, er ist schüchtern?“ Sie begannen über einen ge meinsamen Freund auf der Tanzfläche zu sprechen, der kürzlich erfahren hatte, daß er Lungenkrebs hat. „Nein, nein“, sagte Ersatzteil, „er hat Darmkrebs, ich glaube, seine Mutter hat Lungenkrebs.“ „Stimmt,“ sagte der Freund, „er schimpfte immer auf seine Mut ter, weil sie zuviel rauchte, und sie schimpfte über ihn, weil er zu schnell aß. Jetzt haben sie’s.“ „Er fliegt mor gen in die Klinik“, sagte Ersatzteil. „Glaubst du, er will noch jemanden abschleppen?“ „Weißt du“, sagte der Freund, „ich glaube, die Tatsache, daß er sterben muß, gibt ihm den Mut, zu all den Typen hinzulaufen, in die er die ganzen Jahre verknallt war, aber denen er sich nie traute, Hallo zu sagen.“ „Ja, er sieht schon ganz eigenartig aus“, sagte Ersatzteil......so ätherisch.“ In diesem Moment drückten zwei Puertoricaner, die sich gerade nur für ihre erhitzte Diskussion interessierten, ihre Zigaretten im Aschenbecher neben dem Sofa
Weitere Kostenlose Bücher