Taenzer der Nacht
einem Ausdruck von milder Neugier und etwas Verwunderung über Malones Leidenschaft.
Frankie interessierte sich für Malones Vergangenheit: Frankie hatte schließlich für ihn Frau und Kind verlas sen. Aber es machte Malone merkwürdig ungeduldig, als er entdeckte, daß es Frankie Spaß machte, von den Schulen erzählen zu hören, die er besucht hatte, und den Orten, an denen er gewohnt hatte, denn er hatte für sich entschieden, daß dieser Aspekt seines Lebens völlig wertlos sei. Frankie las die Zeitung und bat Malone, die Worte auszusprechen, die er nie zuvor gehört hatte, und sie ihm zu erklären. Malone las überhaupt keine Zeitungen mehr. Sie bedeuteten ihm nichts mehr. Er lebte nur noch für die Liebe. Zeitungen erin nerten ihn nur an die verlorenen Sonntage seiner Ver gangenheit; genauso, wie Frankie Thunfisch haßte, weil er so viel davon hatte essen müssen, als er noch arm war. Frankie war jetzt nicht mehr arm, aber er wollte noch mehr Geld verdienen; er las die Stellen angebote, und schrieb sich die Namen von Schulen auf, die er im Radio hörte. Er kam voller Ideen und Projekte nach Hause. „Vielleicht sollte ich Elektriker werden“, sagte er, „wir könnten dann nach Jersey zie hen und ein Haus haben. Nur du und ich zwischen den ganzen Deppen.“ Er wollte eine Berufsausbildung haben, er glaubte an die Gewerkschaften, er trug sich mit dem Gedanken, ins Fernsehreparaturgeschäft ein zu steigen. Er war sehr geschickt mit seinen Händen. Er schimpfte nie auf die Arbeit an sich, wenn er seine Zukunft mit Malone diskutierte, aber er wollte sein eigener Herr sein. „Man braucht ein Ausbildung“, sagte er. Er stieß einen Strom Rauch aus und fuhr fort: „Selbst die Nutten in den Massagesalons sind ange lernt worden. Und die Callboys.“ Und Malone dachte, was für ein faszinierendes Leben das sein würde, das Leben eines Prostituierten. Denn es hatte sich etwas getan in ihm – seit er auf die kleinkarierte Welt von Arbeit, Pflicht und Vorsorgedenken verzichtet hatte, wollte er jetzt das Leben eines Bohemiens führen. Nutten faszinierten ihn, Menschen, die ausschließlich für die Liebe lebten, Künstler und Neurotiker; und von ihnen war die Stadt voll... „Aber du bist doch auf die Schule gegangen, Mensch“, sagte er dann zu Malone, hielt seinen Kopf in beiden Händen, umfaßte ihn hinter den Ohren, sodaß Malone das Gefühl hatte, sein Gehirn würde gleich wie eine Grapefruit zwischen Fran kies großen Händen zerdrückt werden; und er dachte, wie wunderbar doch die Hände und Arme eines Geliebten sind. „Die Welt meint es zu gut mit uns“, sagte er und drückte Frankie einen Kuß auf den Mund. Aber Frankie gab keine Ruhe; er war von dem Gedanken besessen, daß Malone eine bessere Ausbil dung hatte als er. Frankie war stolz auf seine italieni sche Herkunft und mochte es nicht, für einen Puertori - caner gehalten zu werden. Er wünschte sich, daß sein Sohn einmal Arzt würde, erzählte er Malone ver schämt. An seiner Stelle? Er wollte seine Aussichten verbessern, wollte eine Berufsausbildung haben, Fern seher reparieren, und mit Malone nach New Jersey ziehen in ein Haus unter Pinien. Er war ein richtiger Amerikaner. Malone ließ diese Worte über sich erge hen wie einen Sommerregen, von dem man weiß, daß er wieder einmal aufhört.
Die beiden waren in dem Gebäude miteinander so allein wie zwei Affen in einem Baum. Nichts drang in ihre Nachbarschaft, die nicht einmal einen Namen hatte und mit mehr abgestellten Lastwagen als Men schen angefüllt zu sein schien, diese Ansammlung zuge wachsener Industriegrundstücke, gesichtsloser Industriebauten und Wracks von Schaltstationen der New Yorker Telefongesellschaft. Sie lebten auf einer Art Industrie-Friedhof. Sie hätten auch weiter diese ruhige, ländliche Existenz geführt, wenn Malone nicht eines strahlenden Nachmittages in die Grand Street gegangen wäre, um Wassermelonen zu kaufen – und dabei einen genauso schönen erregenden jungen Mann wie Frankie traf. Sie sprachen kaum miteinander, bevor sie sich in seiner Wohnung über einer Eisen waren handlung liebten. Es war tatsächlich, als ob er von einem Baum gefallen sei, denn als er zu dem Reser vat zurückkehrte, in dem er mit Frankie hoch oben über den gespenstischen Kabeln der Telefonge sell schaft lebte, begegnete er noch mehr dunkeläugi gen herumstreunenden jungen Männern, die aus den schwulen Jagdgründen nach Süden ausschwärmten. Er fickte mit ihnen an den folgenden Nachmittagen. Er
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