Taenzer der Nacht
sollte, lagen sie auf einer Matratze, verschlangen einander und unterbrachen es nur in Erwartung der Liebesschlacht der kommenden Nacht.
Am Anfang konnte Malone nicht einmal zulassen, daß Fran kie sich ihm gegenüber hinsetzte, ohne daß er gleich aufstehen mußte, zu ihm hinüberlaufen und ihn umarmen. Er konnte nicht zusehen, wie er am großen Fenter stand und über den Fluß blickte, ohne ihn von hinten in seine Arme zu schließen. Er konnte ihn nicht einmal in Ruhe pinkeln lassen. Er saß am Abend auf ihn wartend auf den Treppenstufen, aß einen Apfel oder einen Pfirsich, ließ sich den Saft das Kinn hinab laufen, und von der Luft zu einem klebrigen Überzug trocknen. Er trug Tennisschuhe, Jeans und ein Kreuz um den Hals wie Fran kie, ein Kruzifix, das Frankie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte; und, wie alle schwulen Liebespaare, fingen sie an, gleich auszusehen – abgesehen von diesem unauslöschlichen Unterschied, wenn die helle, goldene und die braunhäutige, dunkeläugige Gestalt ineinander verschlungen bei Tag oder Nacht auf dem Bett lagen, und die nordische und die südliche Rasse sich schließlich vereinigten. Beide hatten ihr rechtes Ohrläppchen durchstechen lassen, und trugen einen kleinen goldenen Ring darin. Sie sahen aus wie Piraten. Und Malone, der die Schönheit von Frankies Körper und Augen bewunderte, fing an, nachmittags in ein kleines Sportstudio zu gehen, um seinen Körper genauso schön werden zu lassen wie den seines Liebhabers; und da, unter der Obhut eines alten Sizilianers, der ihm eine Diät von Avocados und Eiskrem verschrieb, verlernte Malone, was er schon gewußt hatte, daß nämlich sein Körper eigentlich von Natur aus schön war. Er wollte etwas für seinen Lieb haber tun, und so arbeitete er daran, seinen Körper muskulöser zu machen, bis er schließlich außerge wöhn lich wurde – einer der berühmten Körper des homosexuellen New York – und saß da auf einer Veran da in diesem verlassenen Teil von Manhattan, jener Welt noch verborgen, die Körper wie seinen über alles schätzte. Malone lebte jetzt nur für Frankie. Er kaufte Seifen, an die er sich von seiner Kindheit her erinnerte, duftende Seifen aus Neu-Delhi, und seifte den Körper seines Geliebten ein, und atmete seine süß duftende Haut ein, wenn sie später beieinander lagen; morgens, wenn es noch dunkel und kühl war, sprang Malone auf und duschte, um dann wieder ins Bett zu steigen, damit Frankie neben einem frischen, sauberen Liebhaber aufwachte, und sie sich in der Kühle küssen konnten, in deren Genuß man im Sommer nur vor Son nenaufgang kommt. Und schließlich war Malone so von Glück erfüllt, daß er Frankie nicht mehr in dieser verrückten, zwanghaften Weise zu berühren brauchte, sondern ihm nur noch zuschauen: sich rasieren, Schaum schlagen, am Fenster stehen, ein Zigarette an zün den ...
Und Frankie betete Malone an: kaufte ihm das Kruzi fix zum Geburtstag, küßte ihn auf Augen und Nacken und hielt ihn lange Stunden an ihrem Fenster über dem Hafen im Arm, während sie die Schiffe zum Meer ausfahren sahen; versprach ihm, sie würden nach Rio de Janeiro reisen; und als er ihm eines Abends sagte, nachdem ihnen wieder eine Lasagne mißraten war: „Spätestens mit fünfzig sind wir gute Köche“, war Malone tief gerührt; denn mit diesen Worten sagte er ihm: „Ich will dich lieben, bis ich sterbe.“ Er hatte da mit vorausgesetzt, sie würden immer zusammen sein, und Malone konnte sie sich in vielen Jahren als alte Männer vorstellen, wenn er Frankie immer noch liebte; etwas anderes kam ihm gar nicht in den Sinn. Er fühlte völligen Frieden, wenn sie Sonntag nachmittag im Schat ten lagen, sein Gesicht auf der kühlen, weichen Vertiefung von Frankies Bauch. „Ich habe Sonntag nach mittage gehaßt“, murmelte er, als die Sonne lang sam zu sinken begann, und die Luft über dem Hafen blau wurde. „Findest du Sonntage irgendwie beson ders?“ fragte er. Frankie zuckte die Achseln, nahm seine Zigarette aus dem Mund, und sagte in seiner tiefen, ruhigen Stimme: „Ich hasse sie, weil ich am näch sten Tag wieder arbeiten muß.“ Und Malone lächel te und sagte nichts mehr, weil ihm klar war, daß er kaum erwarten konnte, daß Frankie angesichts der taubenblauen Helligkeit der Sonntagabende das glei che wie er empfinden konnte. „Du denkst zuviel“, sagte Frankie zu Malone, als er ihm die Haare streichelte, die sich hinter seinen Ohren lockten. „Ich denke nicht, ich mach’s einfach ... “, und
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