Taenzer der Nacht
ihm saß, lächelte schwach und sagte: „Vielen Dank, leider nein.“ Denn er war so weichher zig, daß er es haßte, jemandem etwas abzuschlagen. Jemand anders abzuweisen war ihm weit unangenehmer als selber abgewiesen zu werden – und er war einer der wenigen Homosexuellen New Yorks, die mit anderen nach Hause gingen, nur weil sie deren Ge füh le nicht verletzen wollten. „Ich erhole mich gerade von einer Prügelei mit einem Liebhaber“, fügte er hinzu. „Pech in der Liebe.“
„Dann komm mit ins Carlyle“, sagte Sutherland und reichte seinen Arm, „und laß uns einen trinken. Ich gehe immer ins Carlyle, um einen in Pernod gebadeten Eiswürfel auf meine Wunden zu reiben. Und dann gehen wir ins Twelfth Floor tanzen.“
Nach dem Carlyle gingen sie in Sutherlands Apart ment über einer kleinen Galerie an der oberen Madison Avenue, denn man konnte im Twelfth Floor nicht vor zwei Uhr morgens erscheinen, und jetzt war es gerade eins. Sutherland schob das Manuskript über die Geschichte der Religion, an dem er seit fünf Jahren schrieb, von seinem Bett und ließ Malone sich hinlegen, um ihm die Wunden zu waschen – und noch Jahre später vergaß er nicht, daß dies die einfachste und klarste Definition christlicher Nächstenliebe ist: Du nahmst mich auf, als ich verwundet war. Er ließ Malone seine Geschiche erzählen, während er ihm das Gesicht mit Germaine Monteil -Reinigungsmilch wusch, an verschiedenen Stellen seufzte und mit leuchtenden Augen „Ah!“ sagte. Denn Sutherland konnte wie der Kalif bei Scheherazade stundenlang Liebesgeschichten zuhören. Er wußte genau, wovor Malone weggelaufen war. „Natürlich hat er dich zusammengeschlagen“, sag te Sutherland und tupfte mit einem Wattebausch auf Malones lavendelfarbene Schläfen. „Die romani schen Männer sind die letzten Egozentriker! Versessen auf dunkle Schönheiten, wie du bist, sehe ich eine schmer zensreiche Zukunft für dich voraus – Herz-und Schädelbruch“, sagte er. „Könntest du dich nicht statt - des sen vielleicht in jemanden wie mich verlieben?“
Aber das war nur eine rhetorische Frage, eine Auffor derung, an die Sutherland selbst nicht glaubte. Er schau te Malone auch gleich an und rief: „Gott! Ich muß dich so vielen Leuten vorstellen!“
Und dann, als ob er ein hübsches Stück, das er auf der Straße gefunden hatte, schützend in Packpapier einwickeln wollte, deckte er Malone mit einer Decke zu und sagte: „Natürlich hat er dich geschlagen. Laß es dir eine Lehre sein. Das ist ein ethnisch-genetisches Mischmasch, in dem wir hier sitzen, wie Kinder in ihrer eigenen Scheiße.“
Er goß Malone ein Glas Perrier ein, „Das Mineral wasser für französische Damen auf der ganzen Welt“ murmelte er.
„Und wie ich nach ihnen gesucht habe“, setzte er wieder an, als er an seinem Glas getrunken hatte, seufz te und reichte Malone eine kubanische Zigarre. „Überall in der Stadt. Ich bin sogar Samstag abends hinaus in die Vorstädte gefahren, weil es da draußen so viele dunkeläugige Schönheiten gibt. Eine Zeitlang bin ich immer nach Philadelphia gependelt. Nach Rhode Island. Aber seien wir ehrlich. So göttlich sie auch im Bett sind, ein Goldstück hat kein Herz! Sie werden von ihren Frauen von der Wiege an verzogen, angebetet, verhätschelt, vergöttert. Schade, daß sie tat sächlich so schön sind. Die wirklichen Liebhaber, glaub’ mir, sind durchschnittliche Menschen nordeuropä ischer Abstammung wie du und ich, wenn wir auch als emotional verkümmert gelten – stimmt natürlich, wir können kalt wie Fische sein. Aber andererseits sind wir auch die einzigen wirklichen Liebhaber. Laß doch die Italiener und Juden ihre Arme in die Luft werfen und behaupten, leidenschaftlich zu sein, dabei verste hen sie nichts, aber auch gar nichts von der Liebe. Sie wollen sich nur produzieren, mein Freund, vergiß das nicht! Nur Nordeuropäer können wirklichen Liebes kummer empfinden.“ Und dabei blies er einen Strom Rauch aus und schaute Malone fasziniert an; denn wenn er Malone so sitzen sah, mit seinen verletzten Rip pen und seinem Gesicht voller blauer Stellen, im Lampenlicht an diesem späten Sommerabend in Suther lands Wohnung an der Madison Avenue, sah er in ihm sich selbst vor zehn oder fünfzehn Jahren. Er war der Su therland von vor vielen Jahren, auf dem Gesicht noch die romantische Hoffnung, mit der er in die Stadt gekommen war; und Sutherland gefiel dieser Anblick. „Lieber Gott“, murmelte er wieder in seiner
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